Antihistaminika bei Long-Covid?
Patientinnen und Patienten mit Long-Covid-Symptomen sind oft im erwerbstätigen Alter, lange krankgeschrieben und recherchieren häufig selbst, ob es mögliche Behandlungsansätze für sie gibt. Antihistaminika sind frei verkäuflich und daher als Therapieversuch unproblematisch erhältlich.
Im Internet werden sie unter der Annahme eines immunologischen Geschehens als möglicher Therapieansatz diskutiert. Zitiert wird dabei eine Studie mit 49 Long-Covid-Erkrankten aus den USA.
Die Studie wurde an einer Privatambulanz durchgeführt, die Rekrutierungsvorgänge werden nicht näher beschrieben. Die Forschenden schlossen 49 Personen ein, die sich mindestens 84 Tage nach einer Covid-Erkrankung mit anhaltenden Symptomen vorstellten. Nur bei 25 Personen war die Infektion durch Serologie oder PCR-Test nachgewiesen, da die meisten zu Beginn der Pandemie erkrankten, als PCR-Tests nicht gut verfügbar waren.
Elf Symptome wurden mit den Antwortoptionen “vorhanden” bzw. “nicht vorhanden” erfasst. 26 der 49 Personen nahmen im Verlauf Antihistaminika ein. Den Übrigen wurde die Therapie zum Teil nicht angeboten (zu Beginn der Studie), zum Teil lehnten sie diese ab. Eine Randomisierung erfolgte nicht.
Behandelt wurde mit einer Kombination aus H1-Antagonisten (zum Beispiel Loratadin zweimal 10 mg/Tag) und H2-Antagonisten (zum Beispiel Famotidin 40 mg einmal/Tag). Die Gruppe, die behandelt wurde, hatte zu Beginn 4,3 von elf Symptomen, die unbehandelte 4,9 von elf.
Die Probanden wurden einmal zwischen vier und 16 Wochen nach Therapiebeginn erneut zu ihren Symptomen befragt. Unbehandelte gaben dann noch 4,4 von elf Symptomen an, die Behandelten 2,7 von elf. Es ist nicht nachvollziehbar, ob sich durch frühere oder spätere Kontrollbefragungen Unterschiede ergeben haben.
Fazit: Diese Studie zeigt mit zahlreichen methodischen Einschränkungen eine mögliche Symptombesserung bei Long-Covid-Erkrankten unter Therapie mit Antihistaminika. Durch die fehlende Randomisierung und Verblindung sowie unterschiedliche Nachbefragungszeiträume ergeben sich viele Möglichkeiten der Verzerrung. Da Antihistaminika günstig und gut verfügbar sind und es keine andere evidenzbasierte Therapieoption gibt, nutzen Betroffene Antihistaminika vermutlich dennoch als probatorische Therapie.
Glynne P, Tahmasebi N, Gant V, Gupta R. Long COVID following mild SARS-CoV-2 infection: characteristic T cell alterations and response to antihistamines. J Investig Med. 2022;70(1):61-67. DOI: 10.1136/jim-2021-002051
Sport gegen Angst
Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen. Auch wenn nur ein Teil der Betroffenen Hilfe sucht, ist eine psychotherapeutische Versorgung oft nur mit langen Wartezeiten verfügbar und auch nicht von allen Betroffenen gewünscht. Niedrigschwellige Therapieangebote wären daher erstrebenswert.
Für Depressionen ist eine Symptombesserung durch Sport sehr klar nachgewiesen; Metaanalysen zu Sport bei Angststörungen zeigen hingegen keine eindeutigen Ergebnisse und weisen auf einen möglichen Einfluss der Trainingsintensität hin.
In Schweden wurde nun in der hausärztlichen Versorgung eine Studie bei 286 Patientinnen und Patienten mit generalisierter Angst und/oder Panikstörungen durchgeführt. Die Teilnehmenden wurden 1:1:1 randomisiert. Die beiden Interventionsgruppen erhielten ein wöchentliches, angeleitetes Gruppentraining mit niedriger bzw. moderater bis hoher Intensität. Dabei wurden Vorkehrungen getroffen, die eine Verblindung der Teilnehmenden zur Intensität ermöglichten.
Die Kontrollgruppe erhielt einen Gutschein für ein Fitnessstudio nach Studienabschluss. Die Wissenschaftler erfassten die Angstsymptome mit dem Beck-Angst-Inventar (BAI) und mögliche begleitende depressive Beschwerden mit der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS), ergänzend ermittelten sie die kardiorespiratorische Fitness über die maximale Sauerstoffaufnahme.
Beide Interventionsgruppen zeigten beim Follow-up nach zwei Wochen eine größere Verbesserung der Symptome als die Kontrollgruppe. Zu Beginn hatten die meisten Befragten Beschwerden entsprechend einer moderaten bis schweren Angststörung, beim Follow-up entsprechend einer milden Angststörung.
Unterschiede bezüglich der Sportintensität waren messbar, aber nicht bei allen Berechnungen statistisch signifikant. Depressionssymptome besserten sich, wie entsprechend der Evidenz zu erwarten war. Da sich kein Zusammenhang mit der Fitnessmessung zeigte, diskutiert die Forschungsgruppe auch die soziale Funktion des Sportangebots als möglichen Wirkmechanismus.
Fazit: Eine Sportintervention zeigte bei Personen mit Angst eine deutliche Verbesserung der Beschwerden, wobei der Wirkmechanismus unklar bleibt.
Henriksson M, Wall A, Nyberg J et al. Effects of exercise on symptoms of anxiety in primary care patients: A randomized controlled trial. J Affect Disord. 2022;297:26-34. DOI: 10.1016/j.jad.2021.10.006
Mentoring: Ein Angebot zur hausärztlichen Identitätsbildung
Ziel der Mentoring-Programme in den Kompetenzzentren Weiterbildung (KW) ist es, die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) in ihrer Identitätsbildung zu unterstützen. Dazu wird das Mentoring in der Regel in Gruppen von bis zu zehn ÄiW angeboten. Erfahrene Hausärztinnen und Hausärzte begleiten die Gruppe als Mentoren und sind eine Anlaufstelle für alle Themen der Weiterbildung jenseits von medizinischen Fragen der Patientenversorgung.
Die Mentoring-Gruppen treffen sich in regelmäßigen Abständen und sprechen in vertraulicher Atmosphäre zu Themen wie “Professionelle Distanz im Patientenkontakt”, “Vereinbarkeit von Familie und Weiterbildung” oder “Selbstschutz – den eigenen Burnout vermeiden”. Viele KW bieten auch die Möglichkeit von Einzelmentoring an. In dieser sehr persönlichen Beziehung begleitet ein Mentor “seine” ÄiW über einen längeren Zeitraum. Die Inhalte dieser Mentoring-Gespräche sind sehr individuell und richten sich an den Bedürfnissen der ÄiW aus.
Die KW freuen sich über erfahrene Hausärztinnen und Hausärzte, die sich als Mentoren engagieren möchten. Neben der mitgebrachten Erfahrung erhalten alle Mentoren ein Training, das sie in dieser Aufgabe unterstützt. Damit das Training nah an den Bedürfnissen der Kollegen ist, hat der Arbeitskreis Mentoring der DEGAM Checklisten mit wichtigen Inhalten zur Qualifizierung entworfen. Zudem findet oft kollegialer Austausch unter den Mentoren statt, der die eigene Sicherheit erhöht.
Bereits engagierte Mentoren beschreiben ihre Tätigkeit als erfüllende Ergänzung zu ihrem Alltag in der Praxis und der Arbeit mit unserem hausärztlichen Nachwuchs!
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