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DemStepCareNeues Versorgungskonzept bei Demenz

Das Projekt DemStepCare will Demenzversorgung neu denken: Ein interdisziplinärer Ansatz soll Versorgungskrisen für Betroffene und Angehörige vermeiden. Klappt das?

Da Hausärzte mit ihren älteren Patienten gut vertraut sind, bemerken sie kognitive Veränderungsprozesse früh.

In Deutschland sind derzeit etwa 1,7 Millionen Menschen von Demenz betroffen; bis 2050 wird mit einem Anstieg auf bis zu 2,7 Millionen gerechnet. Beim Erkennen und Betreuen der Betroffenen kommt Hausärzten eine herausragende Bedeutung zu: Da sie gerade mit ihren älteren Patienten gut vertraut sind, sind sie in der Lage, kognitive Veränderungsprozesse frühzeitig festzustellen.

Allerdings kann es im Praxisalltag herausfordernd sein, Demenzerkrankte und deren Angehörige ohne Unterstützung durch multiprofessionelle, sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen zu betreuen. Da adäquate und wirksame Strukturen zur ambulanten Krisenintervention fehlen, kommt es bei Krisensituationen häufig zu vorschnellen Krankenhauseinweisungen, die Komplikationen für die Patienten mit sich bringen können.

Ein neues Versorgungsmodell

Ziel von DemStepCare ist es, die sektorenübergreifende Demenzversorgung neu zu denken und die Potenziale eines interdisziplinären Ansatzes zu bündeln. Im Mittelpunkt des vom Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) finanzierten Projekts steht die bedarfsgerechte, personenzentrierte und leitlinienorientierte Unterstützung des Hausarztes bei der Einordnung von demenziellen Syndromen, der Diagnostik sowie der Vorbeugung von Versorgungskrisen und dem Management verschiedener psychosozialer Probleme. Dabei zeichnet sich das Versorgungskonzept vor allem durch folgende Elemente aus (s. auch Abb. 1 unten):

  • Die betreuende hausärztliche Praxis wählt die Patienten aus und schreibt sie ein. So kann ein Hausarzt entweder selbstständig eine idealerweise frühzeitige und leitliniengerechte Demenzdiagnostik durchführen oder zwecks Diagnosestellung an einen Facharzt überweisen.
  • Sind die Patienten mit der Teilnahme am Modellprojekt einverstanden, wird ein Case Manager in die Koordination der Versorgung eingeschaltet. Dieser führt strukturiert die Beurteilung der häuslichen Versorgungssituation durch und klassifiziert die Versorgungsbedarfe und das Versorgungsrisiko anhand eines Ampelsystems (grün-gelb-rot, vgl. Abb. 1). Ist diese stabil, erhält die betroffene Familie eine Beratung über regionale Hilfs- und Versorgungsmöglichkeiten und einen Hinweis auf den zuständigen Pflegestützpunkt.
  • Im Fall eines erhöhten Versorgungsrisikos übernimmt der Case Manager zentrale Aufgaben bei der Organisation und Koordinierung zusätzlicher Versorgungsangebote und bietet eine bedarfsgerechte kontinuierliche Begleitung an, die nicht zuletzt in enger, oft persönlicher Rücksprache mit dem zuständigen Hausarzt erfolgt. Die Kontaktaufnahme des Case Managers erfolgt persönlich, telefonisch und per elektronischer Fallakte.
  • Drohen oder manifestieren sich Versorgungskrisen, können Hausarzt oder Case Manager kurzfristig und vorübergehend die aufsuchende Krisenambulanz in Anspruch nehmen. Das multiprofessionelle Team besteht aus Pflegeexperten für kognitive Störungen und Demenz, einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und einem Sozialdienst. Die Ambulanz arbeitet im Zwei-Schicht-System inklusive nächtlicher Rufbereitschaft, sodass sie ständig erreichbar ist. Ziel der Krisenambulanz ist es, bei manifesten oder drohenden Krisen durch zeitnahe Diagnostik und konsekutive Abfolge primär nichtmedikamentöser Interventionen, angelehnt an Serial Trial Intervention, eine ambulante Stabilisierung der Versorgungssituation zu erreichen und eine stationäre Aufnahme zu vermeiden. Das Team betreut die oft sehr belasteten Angehörigen mit. Darüber hinaus arbeitet es verstärkt mit komplementären Diensten zusammen (Pflegestützpunkte, Kommunen, Demenznetzwerke).
  • Nicht selten ist Polypharmazie für Verhaltensauffälligkeiten und -änderungen verantwortlich. Klinische Pharmazeuten führen bei jedem Patienten quartalsweise Medikationsanalysen durch und geben Empfehlungen zur Überprüfung auf mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen und Anpassung der Medikationsverordnungen. Die Arzneimitteltherapiesicherheit soll hierdurch insgesamt verbessert werden.
  • Eine elektronische Fallakte, auf die alle Behandler Zugriff haben und in welcher alle Behandler dokumentieren, vernetzt die multiprofessionellen Akteure (Pflegekräfte, Case Manager, Haus- und Fachärzte) effektiver.
  • Hausärzte werden zielgerichtet geschult und fortgebildet, vor allem mit Blick auf eine verbesserte (Früh-)Diagnostik und eine bessere Vernetzung mit regionalen Versorgungsakteuren, aber auch sonstige mit Demenz assoziierte Themenfelder und Krankheitsbilder. Dies soll längerfristig eine günstigere Demenzkompetenz und -sensibilität fördern, die zu verschiedenen Zeitpunkten im Projektverlauf im Zuge der begleitenden Evaluation ermittelt wird.

Projektverlauf

DemStepCare läuft seit Oktober 2019. Das Einzugsgebiet des Modells bezieht sich auf einen Teil des Bundeslands Rheinland-Pfalz. Bislang nahmen 65 Hausärzte teil; trotz Corona-Pandemie konnten über 220 Patienten von dem Versorgungsmodell profitieren.

Geplant ist, die Zahl der Patienten auf mindestens 1.000 zu steigern. Teilnehmende Hausärzte können Patienten mit diagnostizierter Demenz und (falls vorhanden) deren Angehörige, welche der Teilnahme zustimmen, in die Studie einschließen. Voraussetzung sind eine gesicherte Demenzdiagnose und ein Wohnort des Patienten innerhalb des Studiengebiets.

Im Zuge einer prospektiven cluster-randomisierten Studie wurden die teilnehmen Praxen entlang der Demenzsensibilität in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe randomisiert.

Die Interventionsgruppe erhält neben einer pharmazeutischen Medikationsanalyse das pflegerische Case Management für Patienten mit erhöhtem Versorgungsrisiko sowie bei Bedarf eine Behandlung durch die aufsuchende 24-h-Krisenambulanz. Sämtliche Hausärzte erhalten Fortbildungen, unter anderem zum Versorgungsnetz und regionalen Unterstützungsmöglichkeiten.

Primäre Endpunkte sind die Reduktion der stationären Behandlungstage, die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten und die Reduktion der Belastung der pflegenden Angehörigen. Sekundäre Endpunkte sind die Verbesserung der leitliniengerechten medizinischen Demenzversorgung und der Arzneimitteltherapiesicherheit, die Optimierung des regionalen Versorgungsnetzes und die effizientere Vernetzung und Kommunikation durch die Nutzung einer elektronischen, multiprofessionellen Fallakte.

Die wissenschaftliche Evaluation erfolgt durch die Universität Freiburg (IMBI), das Zentrum für Allgemeinmedizin der Unimedizin Mainz, die Apotheke der Unimedizin Mainz und pflegewissenschaftlich durch das LWL-Klinikum Gütersloh. Erste Ergebnisse werden für Frühjahr 2023 erwartet.

Bisherige Erkenntnisse

Der bisherige Projektverlauf ergab, dass ein intensiver Kontakt zwischen den Hausärzten und Case Managern sinnvoll ist; daher wurde dieser konsequent intensiviert. Im persönlichen Austausch wurden Prozesse entwickelt, um die Patienteneinschreibung zu erleichtern, zum Beispiel regelmäßige Sprechstunden der Case Manager in den Hausarztpraxen. Es ist gelungen, eine gute Versorgungsqualität bei Einhaltung aller notwendigen Hygienestandards aufgrund der Corona-Pandemie zu etablieren.

Insgesamt zeigt sich eine gute Umsetzbarkeit von DemStepCare. Das innovative Modell hat das Potenzial, eine Versorgungslücke zu schließen, indem Hausärzten effektive ambulante Unterstützungsinstrumente zur konsequenten Demenzversorgung und Risikoprävention erhalten.

Bisherige Erfahrungen bestätigen, dass alle involvierten Akteure zufrieden mit den Angeboten sind. Die Case Manager und Mitarbeiter der Krisenambulanz erhalten ein hohes Maß an Anerkennung und positivem Feedback von den Patienten und Angehörigen.

Auch die Rückmeldungen der Hausärzte sind positiv. Eine weiter steigende Zahl von Patienteneinschreibungen ist in den letzten Monaten zu verzeichnen, sodass die Konsortialpartner des Projekts zuversichtlich sind, die avisierten Zielstellungen erreichen zu können.

Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.

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