Nach ausführlichen Gesprächen mit Ihnen als betreuender Hausärztin in den letzten Monaten hat Herr Meier sich dazu durchgerungen, seinen Arbeitsvertrag zu kündigen. Der Konflikt mit seinem neuen Vorgesetzten war trotz mehrerer Versuche, diesen zu lösen, eskaliert. Zuletzt waren derart starke Beschwerden aufgetreten mit Schlafstörungen und Magenschmerzen, dass Herr Meier mehrere Wochen arbeitsunfähig war.
Eine Lösung schien nicht in Sicht, sodass auch Sie letztlich zur Kündigung geraten haben. Nun droht aber vom Arbeitsamt die “Sperre”: Er soll für drei Monate kein Arbeitslosengeld bekommen, da er selbst den Arbeitsplatzverlust durch seine Kündigung “verschuldet” hat. Daher bittet er Sie: “Frau Doktor, die Sachbearbeiterin hat gesagt, ich soll eine Bescheinigung von Ihnen mitbringen, dass die Kündigung medizinisch notwendig war, dann kriege ich keine Sperre.” Was attestieren Sie nun?
1. Formular muss das Amt erstellen
Wir schlagen vor: gar nichts. Sie informieren den Patienten darüber, dass Sie ihn gern unterstützen, die Sachbearbeiterin soll ihm aber das vereinbarte Formular “Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf ärztlichen Rat” (nach Paragraf 144 SGB III Anlage 4a) aushändigen.
Dies hat den Vorteil, dass die Agentur für Arbeit diese Bescheinigung bezahlt und nicht die Betroffenen eine Rechnung nach GOÄ erhalten. Der Nachteil: Ärztinnen und Ärzte können das Formular nicht selbst initiieren, es muss individuell vom Amt beauftragt werden.
Praxis-Tipp: Bereiten Sie einen Brief vor, den Ihre Patienten mitnehmen können. Ein Muster dafür finden Sie kostenfrei online unter www.hausarzt.link/5J5BK (s. Kasten). Dies erleichtert den Patientinnen und Patienten die Nachfrage.
Rat zur Kündigung dokumentieren
Das Formular muss Herr Meier teilweise selbst ausfüllen: Welche Schwierigkeiten gab es, um was für einen Arbeitsplatz handelte es sich, welche Versuche hat er unternommen, um Abhilfe zu schaffen (wie Gespräche mit Arbeitgeber etc.)?
Ärztinnen und Ärzte füllen die zweite Seite aus, auf der sie bescheinigen, welche Tätigkeiten er nicht mehr ausführen sollte (in diesem Fall “Arbeit in diesem konkreten Team”) und welche Einschränkungen künftig zu beachten sind (z.B. bei anderen Fällen eine Einschränkung bzgl. schweren Hebens etc.).
Tipp: Diesen Teil können Sie in der Regel sehr kurz halten.
Am wichtigsten ist die Frage: An welchem Tag haben Sie zur Kündigung geraten? Das Datum dieses Gesprächs muss vor der Kündigung gelegen haben, damit dem Patienten die “Sperre” erlassen wird.
Merke: Denken Sie daran bereits bei der Beratung im Vorfeld, um entsprechende Gespräche in der Patientenkartei auch zu dokumentieren!
Hüten Sie sich vor Gefälligkeitsattesten! Wer erst nach der Kündigung mit Ihnen spricht, dem haben Sie nicht zur Kündigung geraten. Allenfalls könnten Sie hier auf das Formular schreiben: “Die Kündigung wurde im Vorfeld mit mir nicht besprochen, ist jedoch aus hausärztlicher Sicht nach Kenntnis des Sachverhaltes medizinisch indiziert und therapeutisch sinnvoll.” Wenn der Patient Glück hat, kann der Sachbearbeiter in diesem Fall nach Ermessen die Sperrzeit erlassen.
Abrechnung nach 80 und 95 GOÄ
Die Rechnung für das genannte Formular erhält die Agentur für Arbeit, hier werden die Ziffer 80 und 95 GOÄ jeweils mit einfachem Satz erstattet: also 20,99 Euro. Aus Sicht der “Rauchenden Köpfe” ist dies angenehmer als Herrn Meier eine Privatrechnung stellen zu müssen.
2. Weitere Anfragen des Jobcenters
Hier handelt es sich in erster Linie um Anfragen des medizinischen Dienstes der Agentur für Arbeit, welche die Arbeitsfähigkeit und damit die Vermittelbarkeit eines arbeitslosen Menschen einschätzen soll.
Hier existiert eine Vereinbarung der Ärztekammern mit der Agentur für Arbeit, dass diese Anfragen in der Regel innerhalb von zehn Tagen beantwortet werden sollen und mit 32,50 Euro plus ggf. Kopierkosten vergütet werden, diese nach JVEG mit 0,50 Euro pro Seite für die ersten 50 Kopien, 0,15 Euro für jede weitere Seite. Die Positionen sind auch auf dem GOÄ-Spicker der “Rauchenden Köpfe” enthalten.
Praxis-Tipp: Es hat sich bewährt, die Bitte nach der “Zusendung des Gutachtens an Hausärztin oder Hausarzt” anzukreuzen. Hierzu muss eine Schweigepflichtentbindung des Patienten/der Patientin beigelegt werden. Wenn Sie jemanden betreuen, bei dem es sich abzeichnet, dass die Arbeitsfähigkeit von der Agentur geprüft wird, lassen Sie sich die Schweigepflichtentbindung gleich unterschreiben, scannen Sie diese ein und fügen diese dann der Anfrage direkt bei.
Merke: Beachten Sie umgekehrt auch bei der Beantwortung der Anfrage unbedingt, ob die Agentur die Schweigepflichtentbindung für Sie gegenüber dem medizinischen Dienst beigelegt hat, und welchen Zeitraum diese umfasst!
Vorlage erstellen
Praxis-Tipp: Erstellen Sie sich eine Vorlage für all diese Formulare (s. Link-Tipp links) für Ihre Praxis-EDV, sofern diese nicht bereits hinterlegt sind.
Investieren Sie einmal die Zeit, die Vorlagen so anzulegen, dass diese sich in Ihrer Praxissoftware größtenteils selbst ausfüllen (Patientendaten, evtl. Diagnosen etc.). Dies erleichtert das Ausfüllen, spart auf Dauer erheblich Zeit und ist für den Adressaten einfacher zu lesen.
Jede Bescheinigung, die eine Praxis verlässt, sollte grundsätzlich – entweder per Scan oder als gespeichertes Dokument – aus rechtlichen Gründen in der Patientenkartei hinterlegt sein.
3. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung
Ein weiteres Formular, das die Agentur für Arbeit manchmal, aber eher selten braucht, ist der “Antrag auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung”. Diesen können Menschen einreichen, die Arbeitslosengeld II oder aufstockende Sozialleistungen beziehen (“Hartz IV”). Das Formular zum Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung finden Sie unter: www.hausarzt.link/yMJB5.
Bei entsprechender Indikation kann dies in der Regel einen Betrag von 5 bis 30 Prozent der Regelleistung (zum 1. Januar 2022 von 449 Euro monatlich) bedeuten. Das entspricht zwischen 22,45 und 134,70 Euro pro Monat. Ab Januar 2023 soll der Regelsatz als sogenanntes Bürgergeld auf 502 Euro monatlich steigen, dann gelten entsprechend etwas höhere Beträge.
Indikationen, für die regelhaft ein Mehrbedarf akzeptiert wird, zeigt Tabelle 1 unten.