Um Verordnungsausgaben zu senken, wurde zum 1. Januar 2004 im Zuge des GKV-Modernisierungsgesetzes die Verordnungsfähigkeit verschreibungsfreier OTC-Präparate zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen. Wie so häufig bestätigen aber auch hier einige Ausnahmen die Regel.
Ausnahme 1: Kinder und Jugendliche
Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr dürfen OTC-Präparate grundsätzlich zulasten der GKV verordnet bekommen. [1]
Hinweis: Das 12. Lebensjahr endet mit dem Ende des Tages vor dem 12. Geburtstag (24:00 Uhr).
Zu beachten ist jedoch, dass auch hier eventuelle Verordnungsausschlüsse der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie gelten können. So sind beispielsweise Antitussiva, Expektoranzien und Mukolytika in fixen Kombinationen untereinander oder mit anderen Wirkstoffen auch für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen nicht erstattungsfähig und gelten als unwirtschaftlich.
Alternativ können hier aber Monopräparate sowie Kombinationen aus Wirkstoffen einer Wirkstoffgruppe (beispielsweise zwei Mukolytika) verordnet werden. Ebenfalls Vorsicht ist bei Karminativa geboten: Sie dürfen nur bei Säuglingen und Kleinkindern (Kleinkindalter = bis einschließlich 2 Jahre) zulasten der GKV verordnet werden [1].
Ausnahme 2: Präparate der OTC-Ausnahmeliste
Bei bestimmten schwerwiegenden Erkrankungen kann auch die Behandlung mit OTC-Arzneimitteln als Therapiestandard gelten und eine Verordnung auf einem Muster 16 rechtfertigen. Eine detaillierte Übersicht ist in der OTC-Ausnahmeliste (Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie) zu finden.
Dazu zählen beispielsweise Abführmittel bei Beschwerden, die im Zusammenhang mit einem Tumorleiden oder einer Opioidtherapie auftreten, Calciumverbindungen und Vitamin D bei der Behandlung einer manifesten Osteoporose sowie Pankreasenzyme zur Behandlung chronischer, exokriner Pankreasinsuffizienz.
Um sich bei Verordnungen aus der Anlage I vor Einzelfallprüfungen abzusichern, sollte in jedem Fall ein genauer Blick auf die Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit geworfen werden. So werden beispielsweise nur mit Aceton-Wasser-Gemischen ausgezogene Ginkgo-biloba-Blätter-Extrakte in Tagesdosen von 240 mg erstattet und harnstoffhaltige Salben müssen einen Mindestgehalt von 5 % aufweisen [2]. Wichtig: Jumbopackungen sind grundsätzlich nicht zulasten der GKV verordnungs- und erstattungsfähig!
Ausnahme 3: bestimmte Begleitmedikationen
Eine weitere Möglichkeit für die Verordnung von OTC-Arzneimitteln zulasten der GKV stellen Begleitmedikationen dar, die in der Fachinformation eines anderen verordnungsfähigen Arzneimittels, das die medikamentöse Haupttherapie darstellt, zwingend vorgeschrieben sind (Paragraf 12 Abs. 7 der Arzneimittel-Richtlinie).
So heißt es in der Fachinformation zu dem Antikörper Denosumab beispielsweise: “Ergänzend müssen alle Patienten täglich mindestens 500 mg Calcium und 400 IE Vitamin D erhalten, außer bei bestehender Hyperkalzämie.” [3] Entsprechende Präparate können somit über ein Muster 16 verordnet werden, wobei auch hier keine Diagnose auf dem Rezept vermerkt werden muss oder soll [4].
Ein Sonderfall ist die Behandlung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW): Hier darf ein OTC-Präparat zulasten der GKV verschrieben werden, wenn bei bestimmungsgemäßem Gebrauch einer anderen verordnungsfähigen Arznei eine schwerwiegende UAW aufgetreten ist [5].
OTC- als Alternative zu Rx-Arzneimitteln
Ein häufiger Grund für Einzelfallprüfungen ist die unwirtschaftliche Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneien, wenn es für diese eine verschreibungsfreie Alternative gibt.
So heißt es im Wirtschaftlichkeitsgebot nach Paragraf 12 Abs. 11 der Arzneimittel-Richtlinie: “Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt soll nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Lasten des Versicherten verordnen, wenn sie zur Behandlung einer Erkrankung medizinisch notwendig, zweckmäßig und ausreichend sind. In diesen Fällen kann die Verordnung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels unwirtschaftlich sein.”
Zu beobachten ist dies beispielsweise an den vermehrten Einzelfallprüfanträgen, die aufgrund von Verordnungen verschreibungspflichtiger clotrimazolhaltiger Ovula, oraler Antihistaminika und Antidiarrhoika gestellt wurden.
So sind hier jeweils vergleichbare OTC-Arzneimittel verfügbar und die Kosten sind dementsprechend vom Patienten zu tragen. Eine Übersicht über typische Wirkstoffe, die sowohl verschreibungsfrei als auch verschreibungspflichtig zur Verfügung stehen, stellt Tabelle 1 dar.