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ExperteninterviewPINK! unterstützt bei Brustkrebs

Was tun viele Frauen, wenn sie die Diagnose Brustkrebs erhalten? Sie beginnen zu googeln, was oft zu Verunsicherung und Fehlverhalten führt. Die Plattform PINK! soll hier für Abhilfe sorgen.

Diagnose Brustkrebs: "Dr. Google" führt meist nur zu Verunsicherung.

Frau Prof. Wülfing, wie sind Sie auf die Idee gekommen, PINK! zu gründen?

Bei meiner Arbeit im Brustkrebszentrum habe ich immer wieder eine “Lücke” bemerkt: Es fehlte eine Seite im Internet, die kompetent und verständlich alles für die Patientinnen Wissenswerte zusammenfasst. Dabei beginnen die Betroffenen zu googeln, sobald sie ihre Diagnose erhalten – und ebenso ihre Familie und Freunde.

Vor PINK! gab es zwar sehr fachkompetente Seiten. Diese waren für die Patientinnen aber nicht verständlich genug und haben nicht alle ihre Fragen beantwortet. Die Menschen suchen ja nicht nur nach medizinischen, sondern auch nach praktischen Infos. Zum Beispiel: Wie bekomme ich eine Perücke?

Wann haben Sie sich dazu entschlossen, diese Lücke zu schließen?

Zu Beginn der Corona-Pandemie hat sich die Gelegenheit dazu geboten: Ich befand mich im unbezahlten Urlaub und hatte plötzlich Zeit. Damals bin ich davon ausgegangen, dass ich bald wieder in der Klinik bin und die Webseite dann von alleine läuft.

Aber dann ist PINK! Stück für Stück gewachsen. Weil ich wusste, dass sich viele Patientinnen durch die Chemotherapie oder den Schock der Diagnose gar nicht aufs Lesen konzentrieren können, habe ich beschlossen, Videos und einen Podcast aufzunehmen.

Für Letzteren habe ich mir einfach ein Mikrofon bei Amazon bestellt und eine Patientin eingeladen, die zwei Häuser weiter wohnt. Dann haben wir uns am Küchentisch zusammengesetzt und drauflosgeredet. Und so ist das Projekt immer größer geworden. Am Anfang waren viele ehrenamtlich beteiligt, inzwischen arbeiten 14 Leute für PINK!.

PINK! ist frei von Werbung. Wie finanziert sich die Plattform?

Zu Beginn durch ein Stipendium und das Geld einer Investorin. Wir haben nun aber auch eine App und einen Psychoonkologie-Kurs entwickelt. Unsere App ist seit Kurzem als DiGA anerkannt: Ärzte jeder Fachrichtung und Psychotherapeuten können sie Patientinnen mit Brustkrebs budgetneutral als “App auf Rezept” verschreiben.

Außerdem sind wir mit den Krankenkassen im Gespräch, um allen Patientinnen kostenfreien Zugang zum Kurs zu ermöglichen; erste Kooperationen gibt es bereits. Wir möchten, dass unsere Angebote für die Patientinnen langfristig kostenfrei bleiben.

Können Sie das Konzept der App kurz erklären?

Es handelt sich um eine Coaching-App, die den Patientinnen in Hinblick auf Bewegung, Ernährung und mentale Gesundheit Tag für Tag bis zu sechs kleine Ziele vorgibt. Diese Ziele sind an die Situation der Patientin angepasst – etwa daran, wie alt sie ist, wie viel Sport sie vor ihrer Erkrankung getrieben hat, ob sie gerade eine Chemo- oder Strahlentherapie durchmacht, frisch operiert oder in der Nachsorge ist.

Für den Bereich Bewegung haben wir mit Professor Freerk Baumann von der Uniklinik Köln und einer Krankengymnastin zusammengearbeitet. Insgesamt sind 40 Videos zum Nachmachen entstanden – ganz konkret auf Brustkrebs bezogene Übungen, die auch nebenwirkungsrelevant sind, zum Beispiel bei Armbewegungsstörungen.

Zum Thema mentale Gesundheit hat Dr. Boris Bornemann drei Kurse und einige Übungen konzipiert, bei denen es vor allem um Angst und Schlaf geht. Und beim Bereich Ernährung hat uns Professor Martin Smollich von der Uniklinik Schleswig-Holstein unterstützt.

Unter anderem stellen wir 1.000 Rezepte mit integrierter Einkaufsliste zur Verfügung. Wir erklären auch, warum “Krebsdiäten” nicht sinnvoll sind. Den Patientinnen wird oft viel Geld aus der Tasche gezogen – etwa für chinesische Heilpilze, Algenextrakt und Kurkumakapseln. Hier soll sie die PINK!-App informieren und ihnen helfen, sicherer zu werden.

“Mentale Gesundheit” ist ein relativ neues Thema. Sollten wir unseren Fokus mehr darauf richten?

In der Schulmedizin wurde das Thema früher eher belächelt. Mittlerweile wird es aber zunehmend als relevant anerkannt – auch auf Kongressen. Es gibt inzwischen auch gute Studiendaten, die zeigen, dass man durch Ernährung, Bewegung und Achtsamkeit die Prognose, die Lebensqualität und die Verträglichkeit der Therapien verbessern kann.

Die App hat auch eine Community-Funktion. Wie wichtig ist der Austausch mit anderen Betroffenen?

Diese Funktion schätzen vor allem die Patientinnen, die nicht in großen Brustzentren behandelt werden oder ländlich wohnen und Betroffene in ihrer Region finden möchten, die eine ähnliche Lebenssituation haben. Die eigenen Freundinnen können manches oft nicht nachvollziehen, daher suchen viele nach Frauen, die im selben Boot sitzen.

Neben der App haben Sie einen psychoonkologischen Online-Kurs entwickelt – warum?

Die Brustkrebszentren müssen eine psychoonkologische Betreuung anbieten, allerdings gibt es zu wenig Psychoonkologen. Mich haben früher fast alle Patientinnen gefragt, ob ich sie nicht irgendwie dabei unterstützen könnte, an einen Therapieplatz zu kommen.

Die Wartezeit beträgt in Deutschland aktuell nämlich sechs bis acht Monate. Hier kann unser niedrigschwelliges Konzept helfen. Der Kurs ist desktopbasiert, weil man sich dafür Zeit nehmen und sich in Ruhe zu Hause an den Tisch setzen soll. Es ist ein interaktiver Kurs, bei dem man Inhalte eingeben, reflektieren und seine Situation auch niederschreiben muss. Er dauert vier bis acht Wochen, die Übungen kann man dann langfristig weiter nutzen.

Wie ist das Feedback zu PINK!?

Wir bekommen enorm viel positives Feedback – und das nicht nur von den Patientinnen. Auch die Kollegen sehen einen großen Mehrwert, weil sie merken, dass die Patientinnen beruhigter sind und weniger fragen.

Der individuelle Therapieplan muss selbstverständlich mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, aber die immer wiederkehrenden Fragen – etwa nach der richtigen Ernährung und den Leistungen der Krankenkasse – kann PINK! gut beantworten. Das spart den Kollegen viel Zeit.

Können auch Hausärzte PINK! nutzen?

Brustkrebspatientinnen wenden sich mit ihren Fragen oft an ihre Hausärzte, die ja für viele vertraute Ansprechpartner sind. Sie können PINK! betroffenen Patientinnen sowohl zum Zeitpunkt der Diagnose als auch während der Nachsorge empfehlen.

Wir haben auch schon Anfragen von Hausärzten bekommen, die ein Praxis-TV im Sprechzimmer zeigen. Da stellen wir gerne Material in Form von Videos zur Verfügung. Auch Flyer, Poster oder Visitenkarten kann jeder gern bei uns anfordern.

Darüber hinaus wissen wir, dass viele ärztliche Kollegen PINK! dazu nutzen, sich selbst zu informieren und auf den neuesten Stand zu bringen. Unsere Webinare zum Beispiel sind sicherlich auch für Kollegen interessant.

Als Geschäftsführerin von PINK! machen Sie einen komplett anderen Job als früher. Vermissen Sie Ihre Patienten?

Ich habe gemerkt, dass ich mit PINK! weitaus mehr Menschen helfen kann, als ich es in meiner Sprechstunde konnte. Die vielen positiven Rückmeldungen zeigen mir, wie sinnvoll das Projekt ist. Außerdem habe ich weiterhin Kontakt zu Patientinnen, etwa während der Webinare.

Welche weiteren Pläne haben Sie für PINK!?

Am 18. November findet der PINK!-Kongress statt – ein kostenloser Online-Kongress für alle Interessierten (www.pink-brustkrebs.de/kongress). Auch planen wir, PINK! in Richtung Prävention auszubauen und haben Anfragen von Reha-Kliniken, die mit uns zusammenarbeiten wollen.

Um PINK! wissenschaftlich noch besser zu untermauern, starten wir demnächst eine große Studie, um Daten zu den Effekten vor allem der App zu erheben. Wir haben bereits eine Pilotstudie zu PINK! an der LMU München durchgeführt. Diese hat gezeigt, dass sich das psychische Befinden der Patientinnen bessert, die Fatigue weniger wird, sie sich mehr bewegen und die Lebensqualität steigt.

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