Berlin. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat sich für das Ende der Corona-Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal ausgesprochen. “Sie weiterzuführen, ist nach jetzigen Erkenntnissen weder sinnvoll noch vermittelbar”, sagte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Henriette Neumeyer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Mittwoch 27.7.).
Bislang hatte sich der Verband für die einrichtungsbezogene Impfpflicht eingesetzt. Man sei in der Delta-Welle von einer hohen Schutzwirkung auch für die vulnerablen Gruppen im Krankenhaus ausgegangen, sagte Neumeyer. Mit der Omikron-Variante sei das hinfällig geworden. Politiker von CDU und Linken hatten eine Debatte über ein Auslaufen der Impfpflicht zum Jahresende angestoßen.
Bundesregierung kennt keine Zahlen
Die Corona-Impfpflicht für das Pflege- und Gesundheitspersonal sollte nach Ansicht von Oppositionspolitikern zum Jahresende auslaufen. Der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU) sagte der “Welt”, die Bundesregierung könne weder angeben, wie sich die Impfpflicht vor Ort auswirke, noch habe sie Zahlen zur Abwanderung aus dem Pflegeberuf.
“Wenn dieser gefährliche Blindflug weitergeht, spricht alles dafür, die einrichtungsbezogene Impfpflicht am Ende des Jahres nicht zu verlängern”» Sorge forderte, vulnerable Gruppen in den Einrichtungen mit gezielten Impf- und Testkonzepten zu schützen. “Diese dürfen allerdings nicht zu mehr Bürokratie und Belastungen für das Pflegepersonal führen”, mahnte er.
Impfung schützt nicht vor Ansteckung
Der Linke-Politiker Ates Gürpinar sagte der “Welt”: “Eine Fortführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zur Eindämmung der Pandemie ist sinnlos.” Zugleich betonte er, dass Impfungen ein wichtiger Baustein für den Kampf gegen Corona seien – neben Hygienevorschriften, Schutzausrüstung, Luftfiltern und Tests.
Auch Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) stellt angesichts von Corona-Infektionen trotz Impfung die einrichtungsbezogenen Impfpflicht infrage. “Wir wissen heute: Die Impfung schließt Ansteckungen nicht aus. Daher bin ich schon der Meinung, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht in der jetzigen Situation nicht mehr das Nonplusultra ist”, erklärte Laumann am Mittwoch in Düsseldorf. Der Bundesgesetzgeber sollte sie dringend auf den Prüfstand stellen.
Viele Faktoren werden die Diskussion bestimmen
Vertreter der Regierungsfraktionen reagierten zurückhaltend. Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sagte: “Das epidemiologische Geschehen, erhältliche Varianten-Impfstoffe und selbst die aktuelle Variante des Sars-CoV-2 werden wichtige Faktoren in dieser Diskussion sein.”
Die SPD-Gesundheitsexpertin Heike Baehrens sagte laut “Welt”. “Diese Frage werden wir zu gegebener Zeit in der Koalition diskutieren.” Die Impfung senke das Ansteckungsrisiko und könne schwere Krankheitsverläufe beim Personal verhindern – dies hätten auch Experten im Gesundheitsausschuss berichtet.
Infektionsschutzgesetz müsste geändert werden
Bundestag und Bundesrat hatten die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Dezember vergangenen Jahres beschlossen. Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Pflegeheimen, Kliniken und Arztpraxen mussten daraufhin bis Mitte März 2022 nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. Diese Regelung ist qua Gesetz bislang nur bis zum Jahresende vorgesehen und würde wieder wegfallen, sollte das Infektionsschutzgesetz nicht erneut geändert werden.
Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), Bernd Meurer, sagte: “Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht allein ist der Schutz der älteren und vulnerablen Personen nicht zu gewährleisten, solange Angehörige und Besucher nach wie vor ungeimpft in die Einrichtungen kommen dürfen und damit das Virus immer wieder auch in die Einrichtungen tragen.”
Quelle: dpa