© 4x6 - stock.adobe.com Hinter den "Rauchenden Köpfen" stecken vier Praxiserfahrene, die sich unermüdlich dafür einsetzen, die Bürokratie im Praxisalltag zu minimieren: Dr. Sabine Frohnes, Dr. Christoph Claus, Timo Schumacher und Moritz Eckert.
Wie Sie Ihre Praxis fit für die eAU machen und wie sich diese auf die Praxisabläufe auswirkt, haben die “Rauchenden Köpfe” in “Der Hausarzt” 9/22 erklärt.
Wer eine eAU erstellen und senden möchte, benötigt hierfür eine KIM-Adresse (Kommunikation im Medizinwesen). Diese ist im Grunde nichts anderes als eine E-Mail-Adresse innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI).
Ein großer Vorteil: Anders als eine klassische E-Mail gewährleistet KIM eine sichere Ende-zu-Ende-Übertragung, die nur zwischen eindeutig authentifizierten Sendern und Empfängern besteht. Ein “Mitlesen” wie bei klassischer E-Mail ist somit nicht möglich.
Jeder Besitzer einer KIM-Adresse wird automatisch im Zentralen Verzeichnisdienst (VZD), einer Art “Telefonbuch”, eingetragen und ist somit dort zu finden. Den eigenen Eintrag sollte man daher überprüfen und ggf. über den KIM-Dienst-Anbieter anpassen.
Sollte eine Institution (etwa ein MVZ) mehrere KIM-Adressen haben, kann es Probleme geben den “richtigen” Adressaten zu finden. Hier bleibt derzeit nur ein Nachfragen beim Empfänger. Dies ist aber bei mehreren Telefon- und Faxnummern auch bisher schon so.
KIM versus eArztbrief
Über eine KIM-Adresse kann man neben der eAU derzeit entweder KIM-Nachrichten oder elektronische Arztbriefe (eArztbrief) versenden.
Die KIM-Nachricht dürfte vor allem dazu genutzt werden, sich kurz auszutauschen und ggf. bereits vorliegende Dokumente als Anhang zu versenden (wie alter Krankenhausbrief, EKG und Laborwerte) oder (mit Einverständnis des Patienten) diese in der fachärztlichen Praxis “anzumelden”.
Für neu erstellte Behandlungsbefunde kommt der eArztbrief ins Spiel. Hier werden die Dokumente wie ein klassischer Arztbrief digital signiert und somit “rechtsgültig” unterschrieben. Hausärztliche Praxen dürften dabei meist eher die Empfänger sein.
Neben der unverfälscht hohen Darstellungs-Qualität der PDF-Dokumente ist der große Vorteil an per eArztbrief empfangenen Dokumenten die “eingebaute” Zuordnung zum richtigen Patienten.
Zeitverzögerung und Fehler beim “in richtige Akte Einsortieren” dürften somit weitgehend der Vergangenheit angehören. Technisch wird hierfür neben dem eArztbrief als PDF noch eine XML-Datei übertragen. Diese enthält die Stammdaten des Patienten und wird mit den vorliegenden Stammdaten in der eigenen Software automatisch abgeglichen.
Nach etwas Übung in der täglichen Anwendung, – eine gute Umsetzung im PVS vorausgesetzt – spart dies erheblich Zeit und Personalkosten. Zudem kann der Text aus den digital empfangenen Arztbriefen einfach kopiert und in eigene Dateien eingefügt werden – statt den Umweg per OCR-Texterkennung gehen zu müssen.
So werden die Kosten erstattet
Für die Einrichtung in der Praxis erhalten Sie einmalig 200 Euro, hinzu kommen 23,40 Euro Betriebskostenpauschale pro Quartal. Tipp: Erfragen Sie bei Ihrer Kassenärztlichen Vereinigung (KV), wie Sie dies kenntlich machen sollen. Denn dies ist regional leider unterschiedlich!
Der Versand von eArztbriefen wird mit der 86900 EBM (0,28 Euro) plus 01660 EBM für die Strukturförderpauschale (1 Punkt / 0,1099 Euro) honoriert, der Empfang mit der 86901 EBM (0,27 Euro).
Zwar sind die 86900 und 86901 auf einen gemeinsamen Höchstwert von 23,40 Euro im Quartal gedeckelt, aber die Strukturförderpauschale wird in den ersten drei Jahren in unbegrenzter Höhe erstattet.
Merke: Der elektronische Versand ersetzt den Versand mit Post und Fax. Für denselben Brief an denselben Adressaten können somit die (ebenfalls “gedeckelten”) 40110 (Porto) und 40111 (Fax) nicht abgerechnet werden.
Virenscanner aktualisieren
Auch wenn Ärztinnen und Ärzte durch eindeutig authentifizierte Nutzer quasi “unter sich” kommunizieren und das Bedrohungspotential deutlich niedriger sein dürfte als im “offenen” World Wide Web, kann theoretisch Schadsoftware in Form von Viren und Trojanern per KIM ins Praxisnetz gelangen.
Achten Sie also trotzdem auf stets aktuelle und eingeschaltete Virenscanner!
Müssen Ärzte KIM nutzen?
Sind Praxen verpflichtet, KIM einzusetzen? Bis Redaktionsschluss war offen, ob die sogenannte “Zustellungsfiktion” auch auf KIM anzuwenden ist. Vermutlich müssen erst Richter entscheiden, ob der Besitz einer KIM-Adresse (sonst funktioniert eAU nicht über TI) einen auch verpflichtet, sein virtuelles Postfach als Empfänger “zu leeren”.
Wen laut Gericht die (Mit-)Schuld trifft, wenn Arzt A an Ärztin B eine wichtige Information per KIM versendet, B aber mangels “Leeren” des KIM-Postfachs den Patienten nicht informiert und dieser zu Schaden kommt, bleibt derzeit unklar.
Ob man sich dieser Gefahr aussetzt und den virtuellen Postkasten unbeachtet lässt, bleibt jedem selbst überlassen. Definitiv sollte dann (oder im Urlaubsfall) beim KIM-Anbieter eine entsprechende Nachricht als Autoreply eingerichtet werden.
Da bei manchem Anbieter von Praxisverwaltungssoftware (PVS) das integrierte “E-Mail-Programm” extra kostet und man geneigt sein mag, sich diese Ausgabe zu sparen, ein Tipp: KIM lässt sich mit jedem gängigen E-Mail-Programm wie Thunderbird oder Outlook nutzen.
Lediglich der Zugriff auf die TI muss gewährleistet sein. Eine Anleitung hierfür erhalten Sie bei ihrem KIM-Dienstleister.
Wie viel Hardware ist nötig?
Zuletzt wurde neben einer Anpassung von Betriebspauschalen auch die Kostenerstattung für weitere Hardware für die Praxen vom Schiedsamt entschieden (www.hausarzt.link/C3uTb ). Selbstverständlich wittern viele Anbieter ein zusätzliches Geschäft und wollen möglichst viel Hardware verkaufen. Natürlich “gefördert und wird erstattet”.
Was wirklich sinnvoll ist und was Sie in einer möglichst “schlanken”, aber an die TI angebundenen Praxis als Mindestausstattung brauchen, beinhaltet aus unserer Erfahrung Folgendes:
Jede Praxis mit TI-Anschluss benötigt mindestens ein TI-Kartenlesegerät (KT), um Versichertenkarten einzulesen und um die Versichertenstammdaten abzugleichen (VSDM). Dieses KT steht in der Regel am Empfang und wird von den MFA mit Versichertenkarten “gefüttert”.
Kommt der elektronische Heilberufeausweis (eHBA) ins Spiel, der für die elektronische Signatur (also eAU, eArztbrief, bald eRezept) nötig ist, kann der zwar auch in das Gerät am Empfang gesteckt werden, ist aber vor ungewolltem Zugriff schlecht geschützt. Für die abendliche Stapelsignatur der über den Tag aufgelaufenen eAU mag das noch praktikabel machbar sein.
Das eRezept wird künftig aber häufiger eine Signatur benötigen. Tipp: Richten Sie daher ein zweites KT und die Komfortsignatur ein, die es seit dem PTV4+ Konnektor-Update gibt (s. Kasten unten oder www.hausarzt.link/VNRdo ).
Komfortsignatur
Da keiner ständig die PIN am Kartenterminal eingeben möchte, wurde die Komfortsignatur eingeführt. Hierbei wird einmalig (oder bei jedem neuen Stecken des eHBA) für 24 Stunden oder 250 Signaturen die Möglichkeit ans PVS übergeben, ohne PIN-Eingabe am Kartenterminal zu signieren. Entweder durch Einzeleingabe der PIN am PC-Keyboard oder, weil man dem individuellen Login im PVS entsprechende Rechte zugewiesen hat, kann direkt signiert werden.
Cave : Stellen Sie bei der Direktsignatur sicher, dass andere nicht Ihr individuelles Login nutzen. Loggen Sie sich also jedes Mal ein oder aus beim Benutzerwechsel.
Das KT bestücken Sie mit dem eHBA und stellen es vor externem Zugriff geschützt etwa in den Serverschrank oder das Backoffice. Durch die Anbindung ins Praxisnetzwerk ist es egal, wo das KT physisch steht – die Komfortsignatur funktioniert so von überall.
Für größere Praxen praktisch: Je KT können zwei eHBA gesteckt werden (Ober- und Unterseite seitlich).
Drittes Kartenterminal sinnvoll?
Alle Konnektoren bieten inzwischen die optionale Einstellung “Remote-PIN”: Das heißt, in KT A (im Serverschrank) steckt der eHBA, die Freigabe erfolgt aber “entfernt/remote” am KT B bei den MFA am Empfang. Es reichen also zwei statt der geförderten drei KT.
Unter welchen Umständen ist es also sinnvoll, ein neues oder drittes KT anzuschaffen? Am meisten verbreitet ist das Kartenterminal ORGA 6141 von Worldline (früher Ingenico). Dieses macht manchen Praxen durch tägliche Abstürze das Leben mit der TI schwer (aktuelle TI-Probleme: www.hausarzt.link/Bwp2U ).
Hintergrund ist vermutlich eine elektrostatische Aufladung (ESD) mancher neuer Gesundheitskarte mit NFC-Chip, die eine Überspannung im KT auslöst und dieses zum Absturz bringt. Steckt der Praxisausweis (SMCB) im abgestürzten KT, ist bis zum erfolgreichen Neustart die Praxis bezüglich TI “offline”.
Ein neuer ESD-Aufsatz, der auch erstattet wird, soll hier helfen – ob dem wirklich so ist, bleibt abzuwarten. Einzelne Mitglieder der “Rauchenden Köpfe” konnten Stabilität beim Betrieb der TI nur durch den Wechsel auf das Terminal von Cherry ST1506 erreichen. Das neue Gerät wurde am Empfang eingerichtet, das Orga6141 wird nun weiter für Remote-PIN oder als eHBA-Steckplatz genutzt. Hauptsache, das Orga6141 kommt nicht stetig mit Gesundheitskarten in Kontakt.
Zum Zeitpunkt der Zulassung war das ESD-Problem nicht antizipierbar: Allerdings stellt sich die Frage, warum das Orga6141 weiter vertrieben werden darf? Eine Neuanschaffung sollte man vielleicht nur ins Auge fassen, wenn damit bisher keine Abstürze in der eigenen Praxis aufgetreten sind.