Bremen. Gibt es zu wenige Ärztinnen und Ärzte, um die medizinische Versorgung sicherzustellen? Ja, ein Mangel ist vorhanden, waren sich viele Delegierte auf dem 126. Deutschen Ärztetag bei diesem Schwerpunktthema am Mittwoch (25.5.) einig.
Allerdings, woher der Mangel rührt, wie das Problem gelöst werden könnte und ob ein Mangel beispielsweise an der alleinigen Arztzahl festgemacht werden kann, daran äußerten einige Delegierte Zweifel. Zunächst müssten andere Ursachen wie etwa zu viele arztfremde Tätigkeiten behoben werden, hieß es.
Maßnahmen für mehr ärztlichen Nachwuchs
Zum Schwerpunkt legte der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) den Antrag: „Ärztlicher Versorgungsbedarf in einer Gesellschaft des langen Lebens“ vor. In diesem werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen, die in der folgenden Version von den Delegierten auch angenommen wurden:
- eine Erhöhung der staatlich finanzierten Medizinstudienplätze kurzfristig um mindestens 6.000 bei Umsetzung der Reform der Approbationsordnung entsprechend der Vorgaben des Masterplans 2020
- die zügige Planung und Umsetzung von strukturellen Reformen in der ambulanten und stationären Versorgung unter Beteiligung der Ärzteschaft
- die zügige Umsetzung des im Koalitionsvertrag angekündigten “Bürokratieabbaupaketes” im ambulanten und stationären Bereich
- die zügige Umsetzung der im Koalitionsvertrag angekündigten Fokussierung der Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen auf die Lösung von tatsächlichen Versorgungsherausforderungen.
Ärztetag fordert Masterplan 2020
Ebenfalls angenommen wurden zwei weitere Anträge dazu. Im ersten heißt es: „Die Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze ist ein notwendiger, aber kein hinreichender Schritt, um die hochwertige medizinische Versorgung der Menschen auch in Zukunft sicherzustellen“.
Im zweiten Antrag erkennt der Ärztetag an, “dass die Erhöhung der Medizinstudienplätze eine notwendige Maßnahme zur Sicherung der medizinischen Versorgung ist. Damit diese Maßnahme dem Ziel der Versorgungssicherheit gerecht wird, ist die ärztliche Ausbildung gemäß den Vorgaben des Masterplans Medizinstudium 2020 insbesondere in Bezug auf die Förderung der Allgemeinmedizin zu modernisieren“.
Der Ärztetag stärkt damit eine Forderung des Deutschen Hausärzteverbandes. Dieser hatte am Mittwochvormittag nochmals deutlich gemacht, dass ein reines Mehr an Studienplätzen nichts bringt, wenn die Absolventen später nicht auch in den Fächern ihre Weiterbildung machen, die gesellschaftlich am dringendsten gebraucht werden.
Instrument zur Personalberechnung
In den Kliniken herrscht vielerorts Personalknappheit, wurde in der Debatte deutlich. Die Diagnosis Related Groups (DRG) seien Teil des Problems und gehörten abgeschafft, darüber sind sich immer mehr Ärztinnen und Ärzte einig.
Um konkret eine Personalausstattung berechnen zu können, die eine gute Patientenversorgung und auch die Gesundheit der Ärztinnen und Ärzte gewährleistet, hat die Arbeitsgruppe “Personalvorgaben für Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus II” der BÄK ein komplexes Tool entwickelt.
Als standardisiertes Bemessungsinstrument sieht es verbindliche Personalvorgaben für Ärztinnen und Ärzte vor, um eine patienten- und aufgabengerechte Personalausstattung zu erreichen. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz und Tarifverträge sollen sanktioniert werden.
Als Bemessungsgrundlage hat die Arbeitsgruppe 23 Patientengruppen mit erhöhtem ärztlichen Personalbedarf sowie 101 ärztliche Handlungsfelder und diverse Zeitvorgaben definiert; zu den Patientengruppen zählen Kinder, Menschen mit Polymedikation, psychischen Erkrankungen und Sprachbarrieren, zu den Aufgabenfeldern Kommunikation, Weiterbildung und Qualitätssicherung. Aus der Kombination der Faktoren soll der Personalbedarf bemessen werden.
Tool nur stationär, nicht ambulant
Prof. Dr. Hendrik Herrmann, Präsident der Landesärztekammer Schleswig-Holstein und Vorstandsmitglied der BÄK, bezeichnete das Personalbemessungs-Tool, das auch von Seiten der Delegierten großes Lob ernetete, als revolutionär. Es werde aber noch Jahre dauern, bis es einsatzfähig sei. Auch die Kosten seien noch nicht absehbar.
Delegierter und Hausarzt Dr. Thomas Lipp warnte allerdings davor, sich rein auf Arztzahlen zu fokussieren; es gelte auch die Verteilung der ärztlichen Ressourcen in der Region im Blick behalten, um dem Ärztemangel wirkungsvoll zu begegnen.
Svante Gehring, Internist und Hausarzt in Norderstedt, forderte eine Weiterentwicklung des Tools unter Einbindung der niedergelassenen Mediziner. So hatte es auch die Arbeitsgruppe vorgesehen. Im Antrag schlug sie eine perspektivische Prüfung vor, ob das Tool auch im ambulanten Versorgungsbereich Anwendung finden könne.
Eine Gruppe aus elf Delegierten beantragte jedoch, diesen Satz zu streichen. Die Begründung lieferte Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer: Er sieht mit dem Tool den EBM berührt. Das Tool greife in einer Weise in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) ein, die man noch gar nicht abschätzen könne. Auch wenn andere Delegierte darauf verwiesen, dass das Ergebnis einer Prüfung auch sein könnte, dass das Tool für den ambulanten Sektor ungeeignet sei, stimmten die Delegierten mit großer Mehrheit dem Antrag zu, den ambulanten Sektor komplett aus der Entwicklung des Tools herauszunehmen.