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DigitalisierungTI 2.0: Schöne neue Praxiswelt?

Die Technik kommt im von der Regierung gewünschten Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht hinterher. Ausbaden müssen dies die Praxen. Bei der TI 2.0 soll es besser laufen. Ein Blick in die Praxiszukunft, an der die Gematik aktiv arbeitet.

Digitalisierung im Gesundheitswesen: Noch ist die Praxisrealität mehr von technischen Mängeln geprägt.

Keine Konnektoren, stabiler Betrieb, einmalige Identifizierung, Zugriff auf Dienste von überall: Nach einer schönen neuen Praxiswelt klingt die Vision der TI 2.0, mit der die Gematik die Zukunft der Telematikinfrastruktur (TI) skizziert (www.hausarzt.link/4AXFg). Sie will die Fehler der Vergangenheit wie wiederholte TI-Ausfälle oder das Debakel um statisch aufgeladene elektronische Gesundheitskarten (eGK) vergessen machen.

Doch noch ist die Praxisrealität mehr von technischen Mängeln geprägt – und die TI 2.0 existiert nur als wolkige Idee auf dem Papier.

Ob diese wirklich so in den Praxen ankommt, darf bezweifelt werden. Es fehlen an vielen Stellen doch entscheidende Details. “Der Hausarzt” wirft trotzdem einen Blick in die Wolken: Was verbirgt sich hinter der TI 2.0?

Internet statt VPN

Mit der TI 2.0 will die Gematik bis Ende 2025 das Fundament der TI verändern. Bislang bauen Hausärztinnen und -ärzte in der Praxis mit dem Konnektor eine Art sicheren Tunnel (Virtuelles privates Netz, kurz VPN) auf, um sich mit der TI verschlüsselt und abgeschirmt vom Internet zu verbinden.

In Zukunft entfallen die Konnektoren, denn alle TI-Anwendungen sollen direkt über das Internet erreichbar sein. Stattdessen will die Gematik den Zugang zu den einzelnen Anwendungen sichern, der Zugriff ist dann nur für berechtigte Nutzer möglich, deren Identität geprüft wird (dazu später).

Für Praxen soll dies mehrere Vorteile bringen: Die Anwendungen sind über das Internet und damit nicht nur aus der “stationären Praxis” heraus erreichbar. Zudem kann die Gematik die Zugriffsrechte festlegen, dadurch sollen Praxisteams künftig etwa vom Abgleich der Versichertenstammdaten (VSDM) für die Kassen entlastet werden, so die Gematik. Stattdessen ist denkbar, dass sich Patienten zum Beispiel künftig per Smartphone-App mit ihrem Versichertenstatus in der Praxis anmelden könnten.

Wie steht es um die Sicherheit?

Insgesamt soll der Zugang zu TI-Anwendungen weniger komplex werden, weil nicht mehr jede Praxis ein VPN für den Austausch mit der TI aufbauen muss. Damit soll die Nutzung schneller und stabiler laufen und auch neue Anwendungen können in kürzerer Zeit und günstiger eingeführt werden, so die Gematik.

Auch Störungen wie der Konnektorausfall 2020 sollen damit der Vergangenheit angehören oder können zumindest rascher behoben werden, weil die Gematik nach eigenen Angaben die gesamte Kette der Dienste prüfen kann.

Die Daten und Dienste lagern dann auf Rechenzentren der TI, was höhere Sicherheitslevel ermöglichen und Praxen von TI-spezifischen Sicherheitsstandards entlasten soll, schreibt die Gematik. Ebenso müssten Praxen weniger in TI-spezifische Technik investieren, da Konnektoren und eHealth-Kartenterminals nicht mehr nötig seien, wenn die Dienste wie etwa die elektronische Signatur dann über die TI selbst laufen.

Doch ob dies am Ende wirklich Kosten spart, wird sich erst noch zeigen müssen, wenn die Gematik ihre Vision mit konkreten Details für Praxen unterfüttert.

Zudem bedeutete der VPN-Zugang über den Konnektor bislang ein Stück Sicherheit für die Praxen. Ob das die TI 2.0 ebenso leisten kann, muss sich noch zeigen. Künftig könnte für Praxen womöglich eine professionelle Firewall nötig sein, wenn der Konnektor entfällt. Und zentrale Rechenzentren können auch immer die Begierde von Hackern wecken.

Update: Kurz nach Redaktionsschluss Mitte März wurde dann die nächste Hiobsbotschaft öffentlich: Bevor Praxen mit der TI 2.0 starten können, müssen sie die Konnektoren doch noch einmal austauschen. Wie dies ablaufen soll und wer die Kosten dafür trägt, ist bisher noch nicht bekannt. Der Deutsche Hausärzteverband hat diese Miskommunikation und den Mehraufwand für Praxen scharf kritisiert.

Dienste mobil nutzbar

Eine weitere zentrale Änderung des neuen TI-Gerüsts ist die angesprochene mobile Nutzung der Dienste. Bislang war vorgesehen, dass sogenannte Smartcards wie etwa die eGK mitunter auch Anwendungsdaten tragen, zum Beispiel den Notfalldatensatz.

In Zukunft soll dies auf Dienste der TI verlagert werden. Die Entkopplung von der Karte ermöglicht laut Gematik die mobile Nutzung der TI-Anwendungen. Offen ist aber, ob oder wie auch eine offline Nutzung möglich ist.

Ebenso wird die Nutzung der Dienste und wie man dazu Zugang erhält, viele Fragen bei den Versicherten hervorrufen. Hier ist noch nicht klar, wer die Aufklärung übernehmen soll. Zudem ist offen, wie bei Patienten vorgegangen werden soll, die ohne die nötigen technischen Voraussetzungen (etwa ein bestimmtes Smartphone) in die Praxis kommen. Schlimmstenfalls würde das nämlich den Aufwand verdoppeln, weil ein Rezept zusätzlich zum elektronischen Exemplar gedruckt werden müsste.

Eine Anmeldung, alle Dienste nutzen

Neben den Smartcards wie eGK, Praxisausweis (SMB-C) oder eHeilberufeausweis (eHBA) soll künftig ein anderer Weg etabliert werden, um die TI-Anwendungen nutzen zu können. Bislang wird die Identität und das Zugriffsrecht des Nutzers, zum Beispiel des Arztes, von der Anwendung selbst abgefragt und via der Smartcard des Nutzers überprüft. Diese Authentifizierung will die Gematik bei der TI 2.0 von den Smartcards loslösen.

In Zukunft soll jeder Nutzer – also Ärzte, Versicherte, Apotheken, Kassen etc. – eine einheitliche eID bekommen. Diese eID sollen für Ärzte die Kassenärztlichen Vereinigungen als sogenannter Identitätsprovider erstellen. Bevor Ärzte einen TI-Dienst wie das eRezept nutzen, müssen sie sich einmalig beim Identitätsprovider, der KV, anmelden (Single-Sign-On). Dieser prüft die Zugangs-berechtigungen und leitet diese an die Anwendung, hier das eRezept, weiter.

Solange Ärzte eingeloggt sind, können sie laut Gematik auf alle TI-Anwendungen zugreifen, ohne sich erneut anmelden zu müssen. Denn jeder TI-Dienst fragt die Identität bzw. das Zugriffsrecht bei der KV ab – und nicht mehr beim Arzt selbst. So soll es laut Gematik möglich werden, dass mit einer einmaligen Anmeldung ein kompletter Versorgungsprozess ablaufen kann, selbst wenn dafür verschiedene Dienste nötig sind.

Wie läuft der Wechsel?

Wie genau die Umstellung auf die TI 2.0 vor sich gehen soll, ist noch weitgehend unklar. Laut Gematik bietet das internetbasierte Gerüst der TI 2.0 aber den Vorteil, dass zunächst beide Welten – TI 1.0 und TI 2.0 – parallel existieren und genutzt werden können. Es müsse daher keinen Umstieg zu einem Stichtag geben, sondern könne kontinuierlich ablaufen, verspricht die Gematik.

Doch ob dies wirklich alles so reibungslos klappt, wird wohl erst zu beurteilen sein, wenn erste Teile des Grundgerüsts für die TI 2.0 gebaut sind.

“Die Akzeptanz der TI 2.0 seitens der Hausärzte steht und fällt damit, dass die Technik funktioniert. Wir fordern daher, dass die Gematik ihr jüngstes Versprechen hält und endlich alle Anwendungen ausreichend testet, bevor die Praxen gesetzlich verpflichtet werden, diese umzusetzen”, betont Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. “Ist dies gewährleistet, steht außer Zweifel, dass funktionierende Digitalanwendungen einen echten Mehrwert für Praxen – gerade bei der Entlastung von Bürokratie – bieten können.”

 

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