Berlin. Die Voraussetzung für die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht seien geschaffen worden, kommentierte Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne, Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am Mittwochabend (16.2.). Dabei verwies die SPD-Politikerin auf die „Handreichung zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten“, die eine „sachdienliche Grundlage für den Vollzug“ biete.
Die Ministerpräsidenten haben bekräftigt, dass den Gesundheitsämtern im Großen und Ganzen die Entscheidung überlassen bleibt, welche Maßnahmen sie anordnen, wenn im Gesundheitswesen Beschäftigte ihren Arbeitgebern bis 15. März keinen Immunitätsnachweis vorlegen. Dies gilt nicht nur für das Aussprechen eine Betretungs- oder Tätigkeitsverbots bei fehlendem Nachweis, sondern auch für die Höhe möglicher Bußgelder.
Wörtlich heißt es im Beschluss: „Die Gesundheitsämter haben ein Ermessen bei der Umsetzung der Maßnahmen. Ein Betretungsverbot stellt die letzte Stufe dar. Daher wird es nicht sofort flächendeckend automatisch zu derartigen Betretungsverboten kommen. Bei Bußgeldverfahren gilt das Opportunitätsprinzip.“
Impfpflicht: Viel Spielraum beim Vollzug
Dass ein Betretungsverbot und eine Kündigung das letzte Mittel für Praxisinhaber sind, macht ebenso die Handreichung zur Impfprävention deutlich. Demnach dürfen Hausärztinnen und Hausärzte ihre Mitarbeitenden ohne Nachweis über eine Coronaimpfung, -genesung oder Kontraindikation gegen die Impfung weiterbeschäftigen, bis das zuständige Gesundheitsamt eine Entscheidung im Einzelfall getroffen hat. Erst wenn dieses ein Betretungsverbot ausspricht, sei davon auszugehen, dass die Beschäftigten auch nicht mehr bezahlt werden müssen.
Zudem dürfen Praxisinhaber diese Mitarbeitenden nicht freistellen, heißt es weiter. Denn Paragraf 20a Infektionsschutzgesetz begründe “kein Recht zur Freistellung”. Ebenso liege keine Grundlage für eine Kündigung vor, wenn eine Weiterbeschäftigung möglich ist. Erst wenn sich Beschäftigte weigerten, einen Nachweis vorzulegen, komme zunächst eine Abmahnung und dann “als letztes Mittel eine Kündigung in Betracht”. Ob die Voraussetzungen für eine Kündigung im Einzelfall gegeben sind, müssten dann letztlich Arbeitsgerichte entscheiden. Hier müsse auch bedacht werden, dass die gesetzliche Nachweispflicht aktuell nur bis 31. Dezember 2022 gilt.
Wie stark kontrollieren die Ämter?
Ob die einrichtungsbezogene Impfpflicht ihr Ziel – den Schutz vulnerabler Gruppen – erreicht, hängt also vor allem davon ab, ob die Gesundheitsämter die Kapazität haben, die Immunitätsnachweise zu kontrollieren und welche Maßnahmen sie bei fehlenden Nachweisen verhängen. Ausgehend von der Vorgabe der MPK werden die Ämter wahrscheinlich zuerst Abmahnungen und Fristen zur Nachreichung des Nachweises setzen, bevor sie Bußgelder verhängen. Und erst wenn Betroffene sich dauerhaft verweigern, kommen Betretungs- oder Tätigkeitsverbote überhaupt ins Spiel.
Wollen Hausärztinnen und Hausärzte ihre Risikopatienten möglichst gut schützen, bleiben ihnen wohl bis zur Entscheidung des Gesundheitsamtes also zwei Optionen: Hohe Schutzmaßnahmen (Masken, Hygiene, Telefon- oder Videokontakte, wo möglich etc.) weiter konsequent umzusetzen sowie andere Einsatzorte für Mitarbeitende ohne Nachweis zu finden (etwa Abrechnungsaufgaben im Homeoffice o.Ä.).
Rückwärtsrolle bei Geimpft- und Genesenenstatus
In der Covid-19-Schutzmaßnahmen-AusnahmenVerordnung hatte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) jüngst festgelegt, dass das Robert Koch-Institut (RKI) bestimmt, wer als genesen gilt und wer nicht. Für den Impfstatus wurde auf das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verwiesen. Diese Maßnahme soll laut Beschluss der MPK am Mittwoch wieder zurückgenommen werden.
Viele Politiker und Bürger waren empört darüber, dass der Genesenenstatus quasi von einem Tag auf den anderen von 180 auf 90 Tage verkürzt worden war. Auch ein Gericht entschied, dass ein Verweis auf die Internetseite des RKI nicht ausreicht.
Darüber hinaus fordern die Ministerpräsidenten das Bundesgesundheitsministerium auf, eine Teststrategie für die Zeit nach dem 31. März zu erarbeiten. Die Testverordnung soll dann nochmals angepasst werden.
Öffnung in kleinen Schritten bis 20. März
Bis 20. März sollen Einschränkungen wegen Corona – abgesehen von der Maskenpflicht – schrittweise fallen. Zunächst dürfen sich im privaten Bereich wieder mehr Personen treffen, bislang waren nur Zusammenkünfte von zehn Personen erlaubt. Dieser erste Schritt gilt jedoch nur für Geimpfte und Genesene, nicht Geimpfte müssen sich bis zum 19. März gedulden. Im Einzelhandel entfallen etwaige Einlasskontrollen.
Im zweiten Schritt – ab dem 4. März – ist die Gastronomie wieder innerhalb der 3G-Regel für alle offen. Für Diskotheken und Clubs sowie Übernachtungen ist die 2G-plus-Regel die Vorgabe. Ähnliches gilt für Großveranstaltungen.
Im dritten Schritt, ab dem 20. März, sollen nahezu alle Maßnahmen entfallen (außer beispielsweise Schutzmasken im Innenbereich). Auch die Homeoffice-Pflicht entfällt.
Der Deutsche Hausärzteverband begrüßt grundsätzlich, dass die Politik eine konkrete Öffnungsperspektive vorlegt. Er hält dies angesichts der meist milden Verläufe bei einer Infektion mit Omikron für den richtigen Weg. Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt weist aber auch darauf hin, dass die Hausarztpraxen nach wie vor im Hochbetrieb arbeiten. “Der effizienteste Weg, die Praxen zu entlasten wäre, die zum Teil absurden bürokratischen Regelungen auf das notwendige Minimum zu reduzieren”, sagt Weigeldt.