Festzuhalten bleibt zunächst: Das Pandemiegeschehen hebelt die bestehenden arbeitsrechtlichen Grundsätze nicht aus. Es existieren allerdings Konstellationen, in denen sich die Corona-Pandemie auch auf das Verhältnis zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Praxis auswirken kann.
Ist eine Kündigung wegen des Verhaltens von A. möglich?
Grundsätzlich sind zahlreiche Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung denkbar. Die konfliktträchtigsten Felder sind die vom Arbeitgeber ergriffenen Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz und privates Verhalten, das in das Arbeitsverhalten ausstrahlen kann.
Weigert sich der Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber angeordneten Arbeitsschutzmaßnahmen zu befolgen, oder kommt er seiner arbeitsrechtlichen Melde- und Offenbarungspflicht bei einer festgestellten Covid-19-Erkrankung oder einer angeordneten häuslichen Quarantäne nicht nach, kann der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung aussprechen und im Fall fortgesetzter Verstöße sogar eine verhaltensbedingte Kündigung. Die Rechtsprechung hat bereits anerkannt, dass Sicherheitsverstöße gegen solche Schutzmaßnahmen eine arbeitsrechtlich relevante Pflichtverletzung darstellen können. Pauschale Atteste sind beispielsweise nicht geeignet, die Befreiung von Schutzmaßnahmen (z. B. “Mund-Nasen-Schutz”) zu begründen.
Derjenige Arbeitnehmer, der sich trotz der vom Arbeitgeber ergriffenen und gebotenen Schutzmaßnahmen weigert, zu arbeiten, hat Konsequenzen zu fürchten, die neben dem Verlust des Entgeltanspruchs auch eine Kündigung rechtfertigen können.
Auf das private Lebensumfeld der Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Einfluss. Die Missachtung der pandemiebedingten Schutzmaßnahmen im privaten Bereich ist in der Regel für das Arbeitsverhältnis ohne Auswirkungen. Auch die Teilnahme an einer Demonstration gegen die “Corona-Politik” oder private Meinungsäußerungen, die die Gefahr der Pandemie leugnen, stellen zunächst kein arbeitsrechtlich relevantes Verhalten dar.
Etwas anderes muss jedoch für medizinisches Personal gelten, das die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen beispielsweise bei der Teilnahme an einer Demonstration missachtet. Grund hierfür ist die erhöhte Gefahr, sich zu infizieren und die Infektion in das berufliche Umfeld und an besonders vulnerable Patientengruppen weiterzutragen. Ein solches Verhalten kann zunächst eine Abmahnung begründen und im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung rechtfertigen.
Ist eine Kündigung wegen Covid-19-Erkrankung möglich?
Weder eine kurzfristige Covid-19-Erkrankung noch eine behördlich angeordnete Quarantäne stellen zunächst einen personenbedingten Kündigungsgrund dar. Anders verhält es sich, wenn die Covid-19-Erkrankung einen langfristigen Arbeitsausfall oder eine dauerhafte und erhebliche Leistungsminderung mit sich bringt. Ist eine Weiterbeschäftigung zu ähnlichen oder verschlechterten Bedingungen nicht möglich, können die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung bereits erfüllt sein. Arbeitgeber sollten jedoch sicher sein, dass die Ursache der Arbeitsmängel krankheitsbedingt ist. Bei Zweifeln diesbezüglich ist es ratsam, vor einer Kündigung eine Abmahnung auszusprechen, um gegebenenfalls auch eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen zu können.
Ausblick: Impfpflicht
Eine Impfung gegen SARS-Cov-2 ist derzeit nicht vorgeschrieben. Es ist dringend davon abzuraten, die Impfverpflichtung mittels des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts durchzusetzen, denn dies wird einen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte des Arbeitnehmers darstellen, welcher nicht zu rechtfertigen ist.
Wird der Gesetzgeber allerdings zukünftig aktiv und begründet eine Impfpflicht einführen, so kann sich die Lage im Einzelfall anders gestalten: Der Arbeitgeber kann impfunwilligen Arbeitnehmern nach Abmahnung fristlos verhaltensbedingt kündigen, wenn keine medizinisch tragbaren Gründe gegen die Durchführung der Impfung im Einzelfall sprechen. Auch eine personenbedingte ordentliche Kündigung wegen Wegfalls der Eignung ist denkbar. Eine solche mangelnde Eignung bejahte das Bundesarbeitsgericht beispielsweise im Falle eines fehlenden Masernimpfnachweises für eine Beschäftigung in einem Krankenhaus, einer Kita oder einer Schule.
Auch im Gesundheitswesen würde eine Impfpflicht die mangelnde Eignung des impfunwilligen Arbeitnehmers begründen können. Das erhöht bestehende Ansteckungsrisiko und die enge Arbeit mit besonders gefährdeten Personengruppen rechtfertigen den Einsatz geimpften Personals.
Der (anwaltliche) Beratungsalltag zeigt, dass immer wieder Unsicherheiten mit Blick auf auszusprechende bzw. ausgesprochene Kündigungen bestehen. H. sollte daher im Zweifelsfall Rechtsrat einholen, um einen zeit-/kostenintensiven Kündigungsschutz-prozess mit negativem Ausgang für die Arbeitgeberseite möglichst zu vermeiden.