© picture alliance / dpaNicht nur durch die Übernahme von Hausbesuchen findet eine deutliche Entlastung der Ärzte statt, eine VERAH® sorgt auch im Bereich des Praxismanagements für deutlich mehr Effizienz.
Zufriedenheit steigt mit der Verantwortung
Das kann Christin Weinert nur bestätigen. Sie arbeitet als VERAH® in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Susann Hennesthal und Dr. Gerburg Hildebrandt, Fachärztinnen für Innere Medizin in hausärztlicher Versorgung, im sächsischen Coswig nordwestlich von Dresden. “Es macht sehr zufrieden, mehr Verantwortung zu übernehmen”, sagt Weinert.
“Schwester Christin”, wie die Patienten sie nennen, unterstützt die Ärztinnen in der Praxis etwa bei der Betreuung von Patienten in DMP und bei Hausbesuchen. “Wir haben rund 120 Patienten, die regelmäßig zu Hause besucht werden müssen”, sagt Hennesthal. Je nach Jahreszeit und Krankheitswelle können es durchaus mehr sein. “Die Patienten sind sehr dankbar”, weiß sie.
Christin Weinert wechselt bei Hausbesuchen etwa Verbände, misst den Blutdruck und behält Heilungsprozesse im Blick. “Als vor kurzem ein Patient eine Hauttransplantation erhielt, habe ich die Wunde regelmäßig fotografiert”, berichtet sie.
So konnten die Ärztinnen den Heilungsprozess engmaschig verfolgen. Aber bei Auffälligkeiten ruft sie sofort eine der Ärztinnen an. “Wir entscheiden dann, wie es weitergeht”, sagt Hennesthal. Die Versorgungsassistentin hat nicht nur den körperlichen Zustand der Patienten im Blick, sondern auch das Umfeld.
“Sie sieht schon mal, wie der Kühlschrank aussieht, ob zum Beispiel ein Patient nichts isst”, sagt Hausärztin Hennesthal. So erfährt sie früh, wenn Handlungsbedarf besteht, etwa ein Pflegedienst eingeschaltet werden muss. “Die Tätigkeit der VERAH® ist eine große Entlastung”, sagt sie. Das sieht auch ihre Kollegin so.
Hildebrandt ist Anfang 2020 in die Praxis gekommen, vorher war sie in einer Klinik tätig und kannte das Modell VERAH® nicht. “Das war eine neue Erfahrung”, sagt sie. “Man kann sich auf sie verlassen und es ist jemand da, der bei Bedarf schnell mal nach dem Rechten sehen kann.”
Auch die Hausärztin Dr. Birgit Schilling-Maßmann aus dem westfälischen Tecklenburg möchte diese Erfahrung nicht missen. Sie praktiziert gemeinsam mit ihrem Mann in einer Landarztpraxis. Von den sieben Mitarbeiterinnen haben zwei eine VERAH®-Qualifizierung, eine dritte will sie in Kürze beginnen.
Als sich die Praxisgemeinschaft aus Schilling-Maßmanns Gemeinschaftspraxis und einer weiteren auflöste, waren auf einen Schlag nur noch zwei statt vier Ärzte tätig. “Da lag es nahe, genau zu schauen, wo Leistungen delegierbar sind”, berichtet Schilling-Maßmann.
In der Praxis übernehmen die VERAH® zum Beispiel Fußkontrollen bei Patienten mit Diabetes oder Wundversorgung. “Wir haben eine ältere Klientel, nicht jeder kann in die Praxis kommen”, sagt Schilling-Maßmann. Gerade viele dieser Patienten brauchen eine kontinuierliche Betreuung.
Die VERAH® kennen viele Patienten seit langem, manchmal vertrauen sie ihr mehr an als ihrem Hausarzt – trotz langer Verbundenheit. Die Gründe dafür sind vielfältig, Scham mag einer davon sein. “Sie erfahren manches, was wir Ärzte nicht erfahren”, sagt die Fachärztin für Allgemeinmedizin.
Das gewachsene Vertrauen und der gute Kontakt seien eine große Chance. Sieht eine VERAH® bei einem Hausbesuch, dass ein Patient raucht, kann sie ihm zum Beispiel Unterstützung bei der Entwöhnung anbieten.
Die Hausärztin schätzt nicht nur die Entlastung, die mit dem Einsatz der VERAH® verbunden ist. Ein großer Gewinn für sie sind die positiven Auswirkungen für die Zusammenarbeit in der Praxis. “Das Team ist zusammengewachsen”, berichtet sie.
Beruf gewinnt an Attraktivität
Auch in der Großstadt ist die Delegation von Leistungen sinnvoll. Die Berliner Gemeinschaftspraxis von Doris Höpner mit dreieinhalb Arztsitzen zum Beispiel beschäftigt zwei NäPa, Nichtärztliche Praxisassistentinnen. “Sie sind meine verlängerten Augen und Ohren”, sagt die Hausärztin, die als Dozentin selbst MFA weiterbildet.
Vor allem bei der Versorgung älterer Menschen, die alleine leben, hat sich der Einsatz bewährt. Nicht jeder dieser Patienten braucht eine häusliche Pflege – aber regelmäßige medizinische Kontrollen. “Hier können Aufgaben teilweise delegiert werden”, sagt sie. So ist engmaschige Betreuung möglich.
“Nebenbei kann die Seele gestreichelt werden, auch das ist wichtig”, sagt Höpner. Fällt den MFA bei den Hausbesuchen etwas Alarmierendes auf, wenden sie sich umgehend an die Ärztin. “Ich kann ihnen voll und ganz vertrauen”, sagt Höpner.
In der Praxis übernehmen sie vielfältige Aufgaben, etwa Blutabnahmen, die Wundversorgung oder Aufgaben bei Gesundheitschecks. “Das ist eine große Arbeitserleichterung für uns”, sagt sie. Auch die Mitarbeiterinnen profitieren davon, ihr Arbeitsalltag ist abwechslungsreicher.
“Sie fühlen sich wertiger”, sagt auch sie. Der Beruf der MFA gewinnt durch eine Weiterqualifikation deutlich an Attraktivität – nicht unwichtig, gerade in Zeiten, in denen nicht nur Hausärztinnen und -ärzte, sondern auch gute Mitarbeiter händeringend gesucht werden.
Nach Höpners Auffassung nicht gut geregelt ist die Abrechnung der NäPa seitens der KV. Die Hürden für eine Abrechnung mit der KV liegen in Berlin so hoch, dass Hausbesuche in der Regel nicht abgerechnet werden können. Auch in Bayern ist die Abrechnung über die KV schwierig.
“Die Zugangskriterien und Abrechnungsmöglichkeiten sind im KV-System sehr bürokratisch”, findet auch Dr. Markus Beier. Sind Patienten in Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) eingeschrieben, sei die Abrechnung dagegen unproblematisch.
In der HZV bekommen die Praxen Pauschalen, denn hier wurde erkannt, wie sinnvoll die Entlastung des Arztes ist. Beier geht davon aus, dass inzwischen rund 30 Prozent aller Hausarztpraxen in Bayern eine VERAH® beschäftigen; bei den Praxen, die bei der HZV mitmachen, geht er von etwa 50 Prozent aus. “Ich würde mir wünschen, dass sich auch die anderen dafür entscheiden”, sagt er.