Die rauchenden KöpfeRegressprophylaxe – Achten Sie auf das Kleingedruckte!

Der eigentliche Regress ist selten geworden. Zunehmend gibt es jedoch Einzelfall-Wirtschaftlichkeitsprüfungen, bei denen es meistens darum geht, dass man irgendeine Verordnungsvorschrift nicht eingehalten hat. Einige davon schauen wir uns in dieser Artikel-Serie an.

Was medizinisch richtig und/oder von Experten empfohlen ist, ist manchmal trotzdem „off label“ - stellen Sie ggf. einen Antrag bei der Krankenkasse des Patienten!

Etliche Kolleginnen und Kollegen haben Angst vor Regressen. Der eigentliche Regress, d.h. die Prüfung bei Überschreitung des Gesamtvolumens (in den meisten ­KV-Bereichen wird man hier am Durchschnitt der Fachgruppe gemessen), ist selten geworden. Zunehmend gibt es jedoch Einzelfall-Wirtschaftlichkeitsprüfungen, bei denen es meistens darum geht, dass man irgendeine Verordnungsvorschrift nicht eingehalten hat. Einige davon schauen wir uns in dieser Artikel-Serie („Regress­prophylaxe“) an (siehe auch Hausarzt Nr. 17/21).

OFF-Label-Use

Erster Fall: Herr Hepar hat eine Sarkoidose mit Lebermanifestation. Er soll laut Arztbrief des darauf spezialisierten Professors in der diagnostizierenden Uniklinik Ursodesoxycholsäure bekommen. Natürlich wollen wir ihm weiterhelfen, und der Professor wird es schon richtig empfehlen, oder?

Das Problem ist: Ursodesoxycholsäure mag ein geeignetes Medikament für diese seltene Situation sein, es ist aber dafür nicht zugelassen (sondern laut Fachinfo (www.fachinfo.de ) nur für die Behandlung von Gallensteinen einer bestimmten Größe sowie für primär biliäre Zirrhose).

Das bedeutet, dass Hausärztinnen und Hausärzte „off label“, also außerhalb der Zulassung, verordnen müssten. Einerseits geht damit im Wesentlichen die Haftung für Schäden auf den Arzt über (der Hersteller haftet nicht mehr, da wir uns ja nicht an die „Anleitung“ gehalten haben), andererseits muss die Krankenkasse es nicht bezahlen und kann uns in Regress nehmen.

Dies ist die klassische Version des off label use: Ein Medikament ist für eine spezielle Indikation überhaupt nicht zugelassen. Hausärzte verordnen also aufgrund Experten-, Krankenhaus- oder eigener Expertise, teils sogar auf Empfehlung von Leitlinien.

Aber egal, weshalb die Verordnung auf Muster 16 (Kassenrezept) ausgestellt wird, der Hausarzt trägt die Verantwortung, auch wenn Prof. Dr. IchKannDasHalt die Empfehlung oder Notwendigkeit in seinem Brief beschreibt.

Die Zulassung ist entscheidend! Wenn diese nicht erfüllt ist, handelt es sich um einen Off-Label-Use und dann sehen unsere Chancen sehr schlecht aus, wenn die GKV es bemerkt, was bei teureren Medikamenten wahrscheinlich häufiger vorkommen wird und natürlich auch schmerzhafter ist. Wie unser Patient ggf. dennoch zu seinem Medikament kommt, beschreiben wir weiter unten.

Fall 2: Frau Blass kommt aus dem Krankenhaus. Unter der Standarddosierung von Apixaban, welches sie wegen Vorhofflimmern einnimmt, war es zu einer Blutung gekommen. Daher empfehlen die Kollegen im Entlassungsbericht – nach Abwägung von Nutzen und Risiko – zukünftig mit halber Dosis zu behandeln. Eigentlich eine gute Idee, oder?

Etwas schwieriger wird es z.B. bei Medikamenten wie den NOAK, die eine Zulassung immer in einer gewissen Dosierung zu einer Diagnose haben. So ist Apixaban mit 2 x 5mg für die Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern zugelassen.

Wenn man nun wie im o.g. Fall die Dosis individuell niedriger ansetzen möchte, ist dies unter Umständen medizinisch sinnvoll. Damit ist man aber außerhalb der zugelassenen Dosierung für VHF, es sei denn, der Patient gehört zu den in der Fachinformation genannten Menschen, bei denen die Dosis reduziert werden soll (2 der folgenden Kriterien: Niereninsuffizienz mit Krea ≥ 1,5mg/dl, Alter ≥ 80 Jahre, Körpergewicht ≤ 60 kg), dann befindet sich der Hausarzt wieder in der Zulassung.

Außerdem ist die niedrigere Dosis für bestimmte andere Indikationen wie zum Beispiel Thromboseprophylaxe nach TEP Hüfte bzw. Knie zugelassen. Vorsicht, formal nicht nach anderen elektiven Eingriffen!

Aufgrund der Digitalisierung unserer Praxen sowie die auf dem Rezept zwingend anzugebende Dosierung lassen sich solche Verstöße gegen die Verordnungsvorgaben für die Computer der Krankenkassen relativ schnell finden.

Achten Sie deshalb auch darauf, die korrekten Diagnosen immer zu kodieren. Es ist erstaunlich, wie oft man wichtige Dauerdiagnosen in der Kartei nie verschlüsselt hat. Manchmal fällt einem das erst auf, wenn z.B. beim DMP die Rückmeldung kommt, der Patient habe gar keinen Diabetes. Doch, natürlich hat er, nur wurde irgendwie die Diagnose nicht korrekt eingetragen und aktiviert.

Asthma – all you can spray?

Fall 3: Herr Keuch leidet unter Asthma. Vor drei Wochen hat der Arzt eine Packung Salbutamol N3 (3 Stück) verordnet. Diese sind jetzt leer, der Patient braucht ein neues Rezept.

Ein weiteres Problem, welches sehr gut zu diesem Thema passt, ist die Höchstmengenüberschreitung. Hierzu stellen die Krankenkassen in großer Zahl Prüfanträge (das lässt sich ja auch wunderbar einfach automatisiert überprüfen). Im genannten Beispiel: Das Dosieraerosol enthält laut Fachinformation pro Device 200 Hub, müsste also bei der Tageshöchstdosis von 8 Hub für mindestens 25 Tage reichen, die Packung N3 also für mindestens 75 Tage.

Medizinisch gesehen ist eine höhere Dosis vermutlich nicht sinnvoll, sondern mit vermehrten UAW gekoppelt. Zum einen handelt es sich um ein unzureichend eingestelltes Asthma, bei welchem die Basistherapie dringend überprüft werden sollte. Zum anderen sollte auch überprüft werden, ob Herr Keuch das Spray überhaupt korrekt anwendet.

Formal gesehen bewegen wir Hausärztinnen und Hausärzte uns bei einer Verordnung von höheren Dosierungen wieder einmal außerhalb der Zulassung, und dies wird gerade bei Sprays von den Krankenkassen gern zum Anlass für „Rück“forderungen genommen.

Ehe wir Ihnen jetzt komplett die gute Laune verderben (z. B. mit dem Hinweis, dass manche Sprays nur für Asthma, manche nur für COPD zugelassen sind), wollen wir lieber noch darauf eingehen, wie man bei begründeter Indikation auch außerhalb der Zulassung verordnen kann:

Hierzu muss ein individueller Antrag auf „off label use“ bei der Krankenkasse gestellt werden (z.B. Antrag der KVMV zum Off-Label-Use). Wenn diesem seitens Kasse zugestimmt wurde, darf das Medikament in der genehmigten Dosierung für diesen Patienten auch auf Muster 16 („rosa Rezept“) verordnet werden – oft wird dies zeitlich befristet.

Es versteht sich von selbst, dass das „Ihr Arzt darf alles verordnen“, was die Krankenkassen den Patienten mündlich quasi immer versichern, hierzu nicht ausreicht, sondern es einer schriftlichen Genehmigung bedarf. Parallel zum Antrag wird das Medikament in der Praxis i.d.R. zunächst privat rezeptiert, der Patient kann die Kosten (abzgl. Verwaltungskosten) dann bei der Krankenkasse erstattet bekommen.

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