Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erhöht den Druck auf Ärzte, sich an die Telematikinfrastruktur (TI) anzuschließen. Ärzten, deren Praxis noch nicht an die TI angebunden ist, droht ab März 2020 eine Honorarkürzung von 2,5 Prozent. Bislang sind dafür ein Prozent Honorarabzug veranschlagt. Das sieht der Referentenentwurf zum “Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation” (E-Health-Gesetz II) vor, den Spahn am Mittwoch vorgelegt hat (15. Mai).
„Die Wenigen, die nicht mitziehen wollen, dürfen nicht darüber entscheiden, wie schnell wir bei der Digitalisierung vorangehen“, begründete Spahn das Tempomachen. Am Rande der Gesundheits-IT-Messe DMEA äußerten Hersteller im April die Vermutung, dass sich bis zu einem Drittel der Arztpraxen in Deutschland der TI verweigern könnten.
Das E-Health-Gesetz II soll der letzte Gesetzentwurf vor der Sommerpause sein und nach derzeitigem Plan zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Dazu, so hieß es am Mittwoch in Berlin, werden weitere aktuell vorliegende Entwürfe – erst jüngst hatte Spahn sein Faire-Kassenwahl-Gesetz präsentiert – möglicherweise hintenangestellt.
Weniger Geld für Fax-Arztbriefe
Schluss machen will das Ministerium offenbar nicht nur mit der TI-Verweigerung der Ärzte, sondern auch damit, dass das Fax besser honoriert wird als der E-Arztbrief. In Zukunft soll es für Arztbriefe per Fax deutlich weniger Geld geben als für elektronische Arztbriefe. Konkrete Zahlen enthält der Gesetzentwurf noch nicht, wohl aber die Vorgabe, dass “die (für die Übermittlung eines Telefaxes) im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen festzulegende Kostenpauschale die Hälfte, der für die Versendung eines elektronischen Arztbriefes nach Paragraf 291f vereinbarten Vergütung nicht überschreiten darf”.
Ein Fax kann derzeit wie der Versand eines Briefes über die Kostenpauschale 40120 EBM mit 55 Cent berechnet werden. Für den elektronischen Arztbrief ist derzeit für den Sender eine Vergütung von 28 Cent und für den Empfänger von 27 Cent im Bundesmantelvertrag vereinbart.
Ärzte dürfen für Videosprechstunde werben
Darüber hinaus soll in Sachen Videosprechstunde Bewegung entstehen. So sollen Patienten künftig leichter Arztpraxen finden können, die Video-Sprechstunden anbieten. Daher dürfen Ärzte künftig etwa auch dafür werben. Für das Anbieten der Video-Sprechstunde stellte Spahn – wenn auch nicht konkretisiert – einen „Anreiz“ in Aussicht. Telekonsile unter Kollegen sollen künftig extrabudgetär vergütet werden.
Eine angemessene Vergütung fehlt bislang, weshalb die Video-Sprechstunde noch nicht in der Versorgung angekommen ist. Jüngst hat auch der Bewertungsausschuss Begrenzungen aufgehoben, die den Einsatz von Videosprechstunden einschränkten. Abrechnungsexperte Dr. Gerd W. Zimmermann schätzt allerdings, dass diese Veränderungen für Hausärzte nur wenig bringen, und kritisierte diese daher als “halbherzig”.
Elektronische Patientenakte ab 2021
Laut Gesetzentwurf sollen Patienten ab Januar 2021 einen Anspruch darauf bekommen, dass ihre Ärzte aktuelle Daten direkt in die elektronische Patientenakte (ePA) eintragen. Ärzte sollen dafür eine Vergütung erhalten. Bis 1. Januar 2021 sollen Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Krankenkassen dafür die Vergütung regeln. Dieses Vorhaben – das auch auf einem Smartphone verfügbar sein soll – ist so explizit im Koalitionsvertrag von Union und SPD festgehalten. Auch Impfausweis, Mutterpass, U-Hefte für Kinder und Zahn-Bonusheft sollen demnach – auf Patientenwunsch – in die ePA einfließen. Ab 2022 können Versicherte bei einem Kassenwechsel ihre Daten standardisiert übertragen lassen.
Auch die elektronische Heil- und Hilfsmittelverordnung soll in Pilotprojekten getestet werden – dabei soll ausgelotet werden, wie die Verordnungen, zum Beispiel für Physiotherapie, digital gespeichert und elektronisch zum Therapeuten gelangen.
Gesundheits-Apps auf Kassenkosten
Darüber hinaus sollen Ärzte künftig Anwendungen verschreiben können, die Patienten zum Beispiel dabei unterstützen, ihre Medikamente regelmäßig einzunehmen. Für eine Verordnung von solchen Gesundheits-Apps sollen die gesetzlichen Krankenkassen den Patienten die Kosten erstatten. Wie viel Geld der Hersteller erhält, verhandelt er – bei nachgewiesenen positiven Effekten – selbst mit dem GKV-Spitzenverband.
Gesundheits-Apps sollen dabei schneller als bisher in die Regelversorgung gelangen. Dafür ist folgender Weg angedacht: Neue Apps sollen nach einer ersten Prüfung auf Qualitätskriterien wie Datenschutz und Nutzerfreundlichkeit zugelassen werden. Binnen eines Jahres sollen Hersteller beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nachweisen, dass das Angebot die Versorgung positiv beeinflusst. Liegen keine Belege vor, dass sich das Produkt positiv auf relevante Endpunkte auswirkt, wird es aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen.
Die Anforderungen, heißt es, werden nicht so hoch sein wie bei Arzneien, da es sich lediglich um ein Medizinprodukt der Risikoklassen 1 und 2a handele. Der beschleunigte Weg über das BfArM ist dabei notwendig, weil die aktuelle Grundlage für eine Erstattung auf Basis des GKV-Hilfsmittelverzeichnisses für digitale Produkte nicht geeignet ist, eine Beauftragung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) würde aber wohl länger dauern, was Spahn zuletzt kritisiert hatte.
TI-Anbindung: Für Kliniken keine Sanktionen
Neben den steigenden Sanktionen für Ärzte hat Spahn in den Gesetzentwurf weitere Vorgaben zur TI-Anbindung einfließen lassen: Apotheken sollen sich bis März 2020, Krankenhäuser bis März 2021 an die TI anschließen. Für beide sind keine Sanktionen vorgesehen. Andere Gesundheitsberufe wie Physiotherapeuten, Pflegeeinrichtungen und Hebammen sollen die Möglichkeit bekommen, sich freiwillig anzubinden – wobei die Kosten für den Anschluss erstattet werden sollen.
Geplant ist auch, den Innovationsfonds bis 2024 zu verlängern. Spahns Ministerium will die Förderung über den Fonds effizienter gestalten und ein Verfahren entwickeln, mit dem erfolgreiche Ansätze schnell in die Regelversorgung kommen.
Mit Material von dpa