Berlin. Bei der Bewertung von Antikörpertests zeichnet sich ein Umschwenken ab: Bislang hatte auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nur zu deren Anwendung in Studien geraten. Am Donnerstagabend (7.5.) teilte sie nun mit, der Antikörpernachweis könnte bei Covid-19-typischen Beschwerden “in bestimmten Fällen sinnvoll” sein. „Insbesondere bei milden Verläufen ist ab der zweiten Woche nach Symptomeintritt der direkte Erregernachweis mit einem PCR-Test nicht immer möglich. Eine SARS-CoV-2-Infektion kann dann indirekt durch serologische Verfahren nachgewiesen werden.“
Vor allem in ihrer Deutlichkeit ist diese Empfehlung neu. Denn: Der Einsatz von Antikörpertests in Bezug auf das neue Coronavirus ist außerhalb von Studien noch mit viel Unsicherheit behaftet. Unklar ist beispielsweise, ob oder wie lange man nach einer durchgemachten Infektion immun ist. So lässt sich bisher aus dem alleinigen Vorhandensein von Antikörpern bisher noch nicht schließen, ob auch eine Immunität gegenüber SARS-CoV-2 besteht.
Von einem “breiten Einsatz” der Antikörpertests bei asymptomatischen Personen raten Experten ab, da die Tests noch zu häufig falsch positiv ausfallen. Bei einem negativen Ergebnis ist es sehr sicher, dass in der Vergangenheit keine Infektion stattgefunden hat. Eine erst kürzliche Infektion ist dadurch jedoch nicht auszuschließen – das betrifft etwa einen Zeitraum der letzten 7 bis 10 Tage vor dem Test, da der Körper erst etwa ab diesem Zeitpunkt Antikörper bildet.
Vorsicht vor “Falsch positiven”
Riskanter sind jedoch falsch positive Ergebnisse. Gehen Patienten fälschlicherweise davon aus, sie seien immun, wiegen sie sich womöglich in falscher Sicherheit und verzichten auf wichtige Schutzmaßnahmen wie Abstandhalten oder Hygieneregeln. Darauf hatte auch die KBV in der Vergangenheit hingewiesen. „Mittlerweile stehen sehr sensitive und für den indirekten Erregernachweis bei Patienten mit Covid-19-Symptomen ausreichend spezifische Antikörpernachweise zur Verfügung“, sagt diese aber nun.
Bisher noch wenige Deutsche infiziert
Die Rahmenbedingungen haben sich aber bisher kaum geändert: Nach wie vor haben sich nur sehr wenige Deutsche mit SARS-CoV-2 infiziert. Das ist wichtig, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ein Test tatsächlich ein richtiges Ergebnis liefert, mit der Prävalenz einer Erkrankung zunimmt. Sehr vereinfacht gesagt: Je größer die Verbreitung, desto zuverlässiger das Testergebnis.
Deswegen kommen Antikörpertests, wenn überhaupt, nur bei Patienten mit typischen Covid-19-Beschwerden infrage – nicht aber bei asymptomatischen Personen. Denn auch das Vorliegen typischer Beschwerden steigert die sogenannte “Vortestwahrscheinlichkeit”. Hausärzte sind daher jetzt besonders in der Beratung zu Risiken und Nutzen der Tests gefragt. Deren Einsatz sollte bei jedem Einzelnen sorgfältig abgewogen werden.
Kein Test bei Beschwerdefreien
In keinem Fall sollte eine Testung “ohne direkten zeitlichen Bezug zu einer klinischen Covid-19-Symptomatik beispielsweise zur Prüfung einer Immunität” durchgeführt werden, betont auch die KBV. Bei der niedrigen Prävalenz von SARS-CoV-2-Infektionen reiche die Spezifität der Tests noch nicht aus. Sprich: Wollen Patienten ohne Symptomatik einen Antikörpertest, um zu wissen, “ob sie schon Corona hatten”, sollten Ärzte dies weiterhin ablehnen.
Derzeit schätzen Wissenschaftler, dass rund fünf- bis zehnmal mehr Deutsche sich bereits mit SARS-CoV-2 infiziert haben als offiziell durch Tests auf das neue Coronavirus gemeldet sind.
Zwei Proben im Abstand von 14 Tagen
Sollten Ärzte sich im Einzelfall für einen Antikörpertest entscheiden, rät die KBV im Abstand von 7 bis 14 Tagen zweimal Blut abzunehmen. Idealerweise würde die erste Probe nach der ersten Erkrankungswoche erfolgen und die zweite Probe frühestens drei Wochen nach Symptombeginn.
Beide Proben sollten Hausärzte an dasselbe Labor schicken, das auf Gesamt- und spezifisch IgG-Antikörper prüft. IgA- und IgM-Antikörper sollten nicht bestimmt werden, da hier die Spezifität noch zu niedrig sei.
Nicht immer zahlt die Kasse
Wichtig: Ein positiver Befund der serologischen Testung gilt als indirekter Erregernachweis. Der veranlassende Arzt und auch der Laborarzt müssen die Infektion – wie bei einem PCR-Test – namentlich dem Gesundheitsamt melden.
Spahn bestellt 3 Millionen Antikörpertests
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzt auf neue Antikörpertests mit deutlich höherer Aussagekraft als bislang verfügbar. So hat er jüngst mit dem Schweizer Pharmakonzern Roche eine Vereinbarung über die Lieferung von drei Millionen Corona-Antikörpertests getroffen. Sie sollten noch im Mai an Gesundheitseinrichtungen in Deutschland ausgeliefert werden. Für die kommenden Monate seien je fünf Millionen Tests zur Auslieferung nach Deutschland vereinbart.
Der Antikörpertest hat Roche zufolge eine Sensitivität von 100 Prozent und eine Spezifität von 99,8 Prozent 14 Tage nach bestätigter PCR-Testung ergeben, “ohne eine Kreuzreaktivität auf eines der vier zirkulierenden humanpathogenen Coronaviren aufzuweisen”.
Die Spezifität basiere auf knapp 5.300 untersuchten Laborproben aus Vor-Corona-Zeit. Die 100 Prozent Sensitivität wurden bei 29 Patienten erreicht, bei denen die PCR-Bestätigung vor mehr als 14 Tagen erfolgte. Die Kreuzreaktivität wurde anhand von 40 Proben geprüft, darunter waren die bisherigen Coronaviren HKU1, NL63, 229E und OC43.
Dieser Test sei damit “eine wichtige neue Wegmarke im Kampf gegen das Virus”, so Spahn. Sobald gesicherte Erkenntnisse über eine mögliche Immunität nach durchgemachter Infektion vorlägen, würden die Tests an Bedeutung gewinnen, meint auch Hersteller Roche. Im zweiten Pandemie-Gesetz der Bundesregierung konnte die SPD jedoch erreichen, dass Spahn die geplanten “Immunitätsausweise” zunächst wieder aus dem Gesetzentwurf streicht.