Berlin. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist der mit Abstand entscheidende Faktor für junge Ärzte, wenn es zur Wahl des späteren Arbeitsplatzes kommt. Wohl auch aus diesem Grund will sich jeder Zweite in einer Gemeinschaftspraxis niederlassen, nur jeder zwanzigste angehende Arzt sieht sich eindeutig in einer Einzelpraxis. Das geht aus dem „Berufsmonitoring Medizinstudierende“ hervor. Die Ergebnisse der Befragung von rund 13.000 Nachwuchsmedizinern hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Mittwoch (30. Januar) in Berlin vorgestellt.
Das Berufsmonitoring ist eine bundesweite Online-Befragung, welche die Universität Trier seit 2010 alle vier Jahre im Auftrag der KBV in Kooperation mit dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) und der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd) durchführt.
Durch die Kontinuität der Befragung werden die Ergebnisse der Vorjahre in vielen Punkten bekräftigt: So gaben auch in diesem Jahr 95 Prozent der befragten Studierenden an, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei entscheidender Faktor für die Wahl ihres späteren Arbeitsplatzes – was den Angaben aus 2014 und 2010 entspricht. „Wichtig für junge Ärztinnen und Ärzte ist und bleibt der Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Daraus ergeben sich auch Erwartungen an die Arbeitsbedingungen – Arbeitszeiten sollen idealerweise geregelt, aber gleichzeitig flexibel sein“, erläuterte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). So gaben jeweils gut 80 Prozent an, dass ihnen geregelte Arbeitszeiten (82,3 Prozent / 2014: 84,0 Prozent) und flexible Arbeitszeiten (81,4 Prozent / 2014: 83,6 Prozent) wichtig seien.
Eigene Praxis ja, aber nicht allein!
Dabei weisen die Zahlen darauf hin, dass angehende Ärzte diese Vereinbarkeit in der Niederlassung nur begrenzt sehen. So wären 53,5 Prozent der Befragten zwar gern in einer eigenen Praxis tätig. Der Trend geht allerdings eher zur Gemeinschaftspraxis (50,6 Prozent) und weg von der Einzelpraxis. Nur 4,7 Prozent würden sich ausschließlich für Letztere entscheiden. 42,6 Prozent können sich immerhin beides vorstellen. Während die explizite Wahl der Einzelpraxis auch 2010 bereits die Minderheit war (4,1 Prozent), hatten sich damals aber auch weniger Studierende bereits auf die Gemeinschaftspraxis festgelegt (39,9 Prozent). Dies zeigt sich auch an der Forderung, im Team arbeiten zu wollen: So gaben aktuell 66,6 Prozent und damit ein wenig mehr als in der letzten Befragung (63,3 Prozent) an, dass ihnen dies bei der Wahl des Arbeitsplatzes wichtig sei.
Die befragten Studierenden erklärten, dass vor allem die Bürokratie in der Praxis (62,3 Prozent) sowie das hohe finanzielle Risiko (57,4 Prozent) sie von einer Niederlassung abhalten würden. Auch die Angst vor Regressforderungen ist nach wie vor ein wichtiger Faktor (46,7 Prozent).
Allgemeinmedizin “laaaaangweilig”? Diese Zeiten sind vorbei
Die Allgemeinmedizin und damit eine spätere hausärztliche Tätigkeit haben an Attraktivität gewonnen. 42,5 Prozent der Befragten können sich eine Niederlassung als Hausärztin oder Hausarzt vorstellen, das sind mehr als in den Vorjahren. So konnte sich 2014 nur gut jeder Dritte (34,5 Prozent) eine Facharztweiterbildung in der Allgemeinmedizin vorstellen. 2010 wurden in der Präsentation des Monitorings gar noch Auszüge aus den Freitextantworten der Befragung genannt. Der Beruf des Hausarztes wurde darin als “uninteressant”, “Laaaaaaaaaaangweilig!” oder gar “zum Kotzen” betitelt. Aktuell hingegen wurde vielmehr den primär chirurgischen Fachgebieten mit deutlicher Abneigung begegnet.
„Am Beispiel der gestiegenen Attraktivität der Allgemeinmedizin lässt sich erkennen, dass Initiativen wie der Ausbau der ambulanten Weiterbildung, aber auch ein frühzeitiger und besserer Einblick in das Hausarzt-Dasein Früchte tragen. Das sollte uns als Vorbild dienen, die Aus- und Weiterbildung in der Medizin auch im fachärztlichen Bereich weiter zu ambulantisieren“, erklärte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Stephan Hofmeister. Darüber hinaus sieht die KBV die Ergebnisse als wichtiges Indiz, weiter für die vielfältigen Tätigkeitsgebiete – von Formen der Niederlassung bis zu Anstellung – aufzuklären. Aber: „Die inhabergeführte Praxis darf kein Auslaufmodell werden“, betonte Gassen.
Junge Ärzte setzen auf mehr Digitalisierung
Zum Thema Digitalisierung ergibt die Befragung ein geschlossenes Bild. Verbesserungen erhoffen sich die Studierenden demnach bei der Diagnose, Arbeitsorganisation und Behandlung. Sie befürchten jedoch eine Verschlechterung der Arzt-Patienten-Kommunikation und im Vertrauensverhältnis. „Die Studie hat auch gezeigt, dass Studierende sich hinsichtlich der Digitalisierung der medizinischen Versorgung bisher wenig auf die Zukunft vorbereitet fühlen“, kommentierte Dr. Frank Wissing, Generalsekretär des MFT.
Der MFT habe bereits bei der Veröffentlichung des Masterplans Medizinstudium 2020 darauf hingewiesen, dass das Thema Digitalisierung im Masterplan von der Politik bedauerlicherweise keine Beachtung gefunden hat, erinnerte Wissing. Bei der Weiterentwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs in der Medizin (NKLM) werde das Thema daher in Bezug auf alle Rollen, die ein Arzt zukünftig einnehmen wird, Eingang finden.