MedizinstudiumDas bringt die Reform für (neue) Hausärzte

Das Ministerium hat einen Entwurf für eine neue Approbationsordnung vorgelegt. Vor allem die Allgemeinmedizin wird im Studium neu aufgestellt – und soll deutlicher präsenter werden. Gefragt sind dafür aber wohl auch neue Lehrpraxen.

Blick in den Hörsaal: Für angehende Ärzte soll künftig eine überarbeitete Approbationsordnung gelten.

Berlin. Knapp drei Jahre nach Verabschiedung des Masterplans Medizinstudium 2020 nimmt dieser Formen an: Fast die Hälfte der 37 vom Masterplan angestoßenen Reformen sind in einem nun vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Arbeitsentwurf für eine neue Approbationsordnung zu finden. Praxisnähe ist dabei ein entscheidendes Kriterium. So sollen klinische und theoretische Studieninhalte künftig von Tag 1 an stärker verknüpft werden, Medizinstudierende auch „ganz alltägliche Erkrankungen in der ambulanten und stationären Praxis kennenlernen“, heißt es in dem 180 Seiten starken Dokument, das der Redaktion von „Der Hausarzt“ vorliegt. Zudem sollen die Themen Datennutzung und digitale Anwendungen als Ausbildungsinhalte aufgenommen werden.

Bis Ende Januar können die Medizinischen Fakultäten, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden sowie andere stellungnahmeberechtigte Verbände wie der Deutsche Hausärzteverband ihre Einschätzung zu dem Entwurf abgegeben. Anschließend wird das Ministerium einen Referentenentwurf vorlegen, die parlamentarischen Beratungen sollen dann zeitnah starten, heißt es auf Anfrage aus dem Ministerium. Angepeilt wird wohl ein Inkrafttreten zum 1. März 2020.

Basis für die Neuauflage der Approbationsordnung, die zuletzt 2002 überarbeitet wurde, ist der im März 2017 von den Gesundheits- und Wissenschaftsministern verabschiedete Masterplan Medizinstudium 2020.

ALLGEMEINMEDIZIN: Künftig feste Größe im Studium

Insbesondere Lehrinhalte aus der Allgemeinmedizin werden mit der Reform des Medizinstudiums aufgestockt und longitudinal, also entlang der gesamten Studiendauer, integriert. Zu den Fächern und Kompetenzen, die ausdrücklich über mehrere Leistungsnachweise hinweg geprüft werden, gehören

  • ärztliche Gesprächsführung
  • medizinisch-wissenschaftliche Fertigkeiten
  • interprofessionelle Kompetenzen und
  • Allgemeinmedizin.

Dafür wird das bisher einmalige allgemeinmedizinische Blockpraktikum über zwei Wochen in eine dauerhaft verankerte Unterrichtsform transformiert. Als Gesamtumfang sind nun acht Wochen vorgesehen. Die in der bisherigen Approbationsordnung vorgesehene vierwöchige Famulatur in einer Hausarztpraxis entfällt dafür.

Die Blockpraktika beginnen bereits im zweiten Semester und sollen „einen engen studentischen Bezug zur hausärztlichen Patientenversorgung ab Beginn des Studiums“ gewährleisten. Maximal zwei Lehrpraxen sollen die Studierenden wählen, um eine enge Beziehung zu den Lehrärzten und die Beobachtung schon bekannter Patienten zu ermöglichen.

PRAKTISCHES JAHR: Vier statt drei Mal in die Praxis

Außerdem wird das Praktische Jahr (PJ) von derzeit drei Tertialen auf vier Quartale umgestellt. Zu den Pflichtquartalen Innere Medizin und Chirurgie kommen zwei Wahlquartale. Eines davon muss in der Allgemeinmedizin oder in einem anderen „klinisch-praktischen Fachgebiet vollständig im ambulanten vertragsärztlichen Bereich“ abgeleistet werden. Hierfür ist ausdrücklich eine Lehrpraxis vorgesehen. Dagegen ist es nicht möglich, dieses Quartal in einer Hochschulambulanz zu absolvieren. Beim anderen Wahlquartal kann der Ausbildungsort – ambulant oder stationär – frei gewählt werden.

“Die Quartalisierung des PJs mit einem verpflichtenden ambulanten Quartal in vertragsärztlichen Praxen bietet den Studierenden die dringend notwendige Möglichkeit, im letzten Studienabschnitt auch die Versorgung im ambulanten Bereich kennen zu lernen”, unterstreicht die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in einer ersten positiven Einschätzung des Arbeitsentwurfs. Damit werde eine zentrale Forderung der DEGAM umgesetzt und der Ambulantisierung der Medizin insgesamt Rechnung getragen.

Möchten Studierende das PJ in Teilzeit mit 50 oder 75 Prozent absolvieren, soll dies möglich sein. Die Gesamt­dauer der Ausbildung verlängert sich dann entsprechend.

Die Universitäten sollen künftig explizit einen Ausbildungsplan („Logbuch“) ausstellen müssen, nach dem die praktische Ausbildung im Praktischen Jahr an den Lehrkrankenhäusern durchzuführen ist. Den Forderungen der Medizinstudierenden entsprechend soll das Logbuch auf diese Weise das PJ stärker strukturieren – vergleichbar mit dem neuen E-Logbuch für die Weiterbildung. So soll es im Studium beispielsweise auch Vorgaben für strukturierte Ausbildungsgespräche, eine Mindestanzahl an arbeitsplatzorientierten Prüfungen sowie eine Mindestanzahl an Patientenvorstellungen im Rahmen der Visiten auf der Station enthalten.

LEHRPRAXEN: Zeichnet sich schon heute ein Flaschenhals ab?

Bei einem Blick auf den Arbeitsentwurf wird deutlich: Mehr Praxisnähe wird nur mit Hilfe von mehr Lehrpraxen möglich sein. Medienberichten zufolge bezeichnete MFT-Präsident Matthias Frosch die „Rekrutierung einer großen Zahl allgemeinmedizinischer Lehrpraxen“ daher als zentrale Herausforderung.

“Entscheidend ist, dass die longitudinal angelegte Ausbildung tatsächlich im typischen hausärztlichen Bereich und mindestens ein PJ-Quartal in einer vertragsärztlichen Praxis stattfindet”, betont auch die DEGEAM. “Hochschulambulanzen können und sollten im Rahmen der anderen drei PJ-Quartale (Innere, Chirurgie, Wahlfach) einbezogen werden.”

Aktuell gibt es laut DEGAM im Mittel 163 Lehrpraxen pro universitärem Standort – je nach Studierendenzahl variieren die Zahlen zwischen 50 und 384 Lehrpraxen. Ein Beispiel: Die KV Sachsen listet für das gesamte Land aktuell 108 Lehrpraxen – bei 560 Medizinstudierenden pro Jahrgang.

“Angesicht der Ausweitung werden überall – je nach Standort mehr oder weniger – zusätzliche engagierte Lehrpraxen benötigt”, erklärt Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Frankfurter Instituts für Allgemeinmedizin und Vorsitzender des Sachverständigenrats, gegenüber “Der Hausarzt”. Da eine Umsetzung der neuen Approbationsordnung aber erst ab Oktober 2025 vorgesehen sei, bleibe noch genügend Zeit um weitere Praxen zu gewinnen und entsprechend vorzubereiten.

“Da der Aufwand zur Gewährleistung einer qualitativ guten Ausbildung in Lehrpraxen jedoch erheblich ist, sind an allen Standorten erhebliche Anstrengungen erforderlich”, erinnert Gerlach. “Daher sind auf jeden Fall auch zusätzliche personelle bzw. finanzielle Ressourcen notwendig.” Erfreulicherweise, so Gerlachs Beobachtung, seien jedoch viele Hausarztpraxen bereit, sich in der Ausbildung des Nachwuchses zu engagieren.

Nichtsdestotrotz zeichnet sich an dieser Stelle bereits heute ein möglicher Knackpunkt ab. Denn bereits der Masterplan Medizinstudium 2020 war ohne ein entsprechendes Finanzierungskonzept verabschiedet worden, die Kultusministerkonferenz der Länder hatte daraufhin zusätzliche Mittel verweigert. Eine solche Verzögerung könnte auch jetzt drohen: Denn wie die Kosten für die reformierte Ausbildung zu tragen sind – beispielsweise auch für eine bessere digitale Ausstattung der Institute -, geht aus dem Entwurf der Approbationsordnung nicht hervor.

Erster Entwurf könnte zu Diskussion anregen

Auch darüber hinaus zeichnen sich im Arbeitsentwurf Punkte ab, die im Zuge der weiteren Beratungen für Diskussionen sorgen könnten. So ist beispielsweise keine Vergütung für PJler vorgesehen – was Studierendenvertreter immer wieder gefordert hatten.

Darüber hinaus enthält der Entwurf eine „Innovationsklausel“ (Paragraf 137): Sie eröffnet die Möglichkeit, die Dauer des Medizinstudiums künftig auf fünf Jahre zu reduzieren. Voraussetzung für eine solche Sonderregelung ist, dass ein Innovationsziel beschrieben wird, was erkennen lässt, welche qualitativen Verbesserungen für die medi­zi­nische Ausbildung erwartet werden.

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