Berlin. Die Bundesregierung will Apotheken vor Ort besser vor der Konkurrenz im Internet schützen und insgesamt stärken. Dafür hat das Bundeskabinett am Mittwoch (18. Juli) – neben der geplanten Masern-Impfpflicht – ein entsprechendes Gesetz und eine Verordnung auf den Weg gebracht.
Die Neuregelungen sehen auch vor, dass Apotheken in begrenztem Umfang Grippeschutzimpfungen anbieten dürfen. Dies soll zunächst in regionalen Modellprojekten ausprobiert werden. Der Deutsche Hausärzteverband hatte im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses wiederholt vor dieser Öffnung der Impfungen gewarnt. Zwar hätten Apotheker „wichtige Kompetenzen“. „Das Impfen zählt allerdings nicht dazu und gehört eindeutig in die ärztliche Praxis“, betonte Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt bereits nach der Vorlage der Referentenentwurfs im April. Weigeldt erinnerte an die – wenn auch seltenen – Nebenwirkungen: Allergische Reaktionen etwa seien nie ganz auszuschließen. „Aus diesem Grund sollten Impfungen immer in einer Umgebung stattfinden, in der eine ärztliche Überwachung und notfalls auch Behandlung möglich ist.“ In den Apotheken könnten stattdessen Impfchecks durchgeführt werden.
Erleichterung für Chroniker
Die rund 20.000 Apotheken in Deutschland sollen laut dem Gesetz für Nacht- und Notdienste künftig mehr Geld bekommen. Außerdem dürfen Online-Apotheken aus dem Ausland bei verschreibungspflichtigen Medikamenten für gesetzlich Versicherte keine Rabatte mehr anbieten, sondern müssen sich ebenfalls an feste Preise halten.
Bisher durften ausländische Versandapotheken solche Rabatte gewähren, deutsche Online-Händler nicht. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2016. Der hatte die deutsche Preisbindung bei Medikamenten für Online-Apotheken, die ihren Sitz im Ausland haben, gekippt. Ob die jetzt auf den Weg gebrachte Neuregelung zum Rabatt-Verbot europarechtlich Bestand haben wird, ist deshalb noch unklar.
Mit der EU-Kommission werde die Bundesregierung zeitnah, federführend das Bundesgesundheitsministerium, das Gespräch suchen zur, ob das Gesetz EU-konform sei, kündigte Ressortchef Jens Spahn (CDU) nach dem Kabinettsbeschluss an.
“Die Apotheke vor Ort ist für viele Menschen ein Stück Heimat – und eine wichtige Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten”, sagte der Gesundheitsminister. So sollen chronisch Kranke sich in Zukunft mit einem Rezept bis zu drei Mal ihr Arzneimittel in der Apotheke abholen können.
“Mogelpackung” und “Flickschusterei”
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßte die Reform. Kritik kam hingegen von der Linken. Spahns Apothekengesetz sei eine “Mogelpackung” und “Flickschusterei”, sagte die für das Thema zuständige Bundestagsabgeordnete Sylvia Gabelmann. Zwar dürften Online-Apotheken künftig keine Rabatte für verschreibungspflichtige Medikamente mehr anbieten. Im Koalitionsvertrag sei aber eigentlich vereinbart worden, dass online überhaupt keine solchen Arzneimittel mehr bestellt werden dürften. Das komme nun endgültig nicht, kritisierte Gabelmann.
In ihren Koalitionsvertrag hatten Union und SPD geschrieben: “Wir stärken die Apotheken vor Ort: Einsatz für Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln”. Dass es zu dem Verbot nicht kommt, wird auch vom Apothekerverband kritisiert. “Wir haben lernen müssen, dass es für eine Generation, zu der auch unser Bundesgesundheitsminister gehört, schlicht nicht mehr vorstellbar ist, den Online-Handel zu verbieten”, sagte Verbandschef Schmidt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Mit Material von dpa