Berlin. Ohne die entsprechende Akzeptanz der Ärzte wird die E-Patientenakte keine Versorgungsrealität werden. Dessen scheint sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bewusst und hat die Ärzte am Donnerstag (17. Januar) daher ausdrücklich um Mitarbeit gebeten. Aus dem bislang „abstrakten Versprechen“ der Patientenakte, das seit 15 Jahren im Raum stehe, müsse nun endlich Realität werden, betonte Spahn beim Neujahrsempfang von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK). „Wir sind dabei auf Ihr Mittun angewiesen“. Die Telematik-Infrastruktur (TI) sei kein Selbstzweck.
Für die nun begonnenen 2020er Jahre wünsche er sich „etwas mehr Lust auf Gestaltung“ und „Zuversicht“, appellierte Spahn vor den rund 500 Anwesenden in Berlin.
Am Tag zuvor hatte bereits der Deutsche Hausärzteverband zu seinem Neujahrsempfang geladen.
Apple Watch versus Forschungsdaten
Die Zeit dränge, nicht aus persönlicher Ungeduld, sondern „weil ich sehe, wie Google, Alibaba und Co Millionen in das Gesundheitswesen investieren“, sagte Spahn. Sowohl er wie auch BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt kritisierten dabei eine “Ambivalenz” zwischen der eigenen Nutzung von Apple Watch und Co und der Bereitschaft, auch anhand anonymisierter Abrechnungsdaten die medizinische Forschung voranzutreiben. Er beobachte ein “Grundvertrauen in amerikanische Konzerne“ einerseits, ein “Grundmisstrauen in deutsche staatliche Strukturen“ andererseits, monierte Spahn. Auch Reinhardt wies das “Verteufeln” einer Nutzung von Daten für die medizinische Forschung bei gleichzeitigem Tragen einer Apple Watch deutlich zurück.
Spahn betonte dabei die Wichtigkeit eines deutschen Weges auf deutschen Servern. Die Ärzte bekräftigten dies mit lautem Applaus – eine deutlich andere Stimmung als vergangenes Jahr, als das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) mitunter für heftige Kritik auch während der Neujahrsempfänge in Berlin gesorgt hatte.
Organspende: Spahn lobt respektvolle Debatte
Nicht nur das weitere parlamentarische Verfahren des TSVG, sondern auch die wenige Stunden vor dem Treffen der deutschen Ärzteschaft stattgefundene Debatte zur Organspende wertete Spahn dabei als Zeichen für eine gute Kommunikation, die er ausdrücklich lobte. Die Organspende-Debatte im Bundestag sei „gut und von gegenseitigem Respekt getragen” gewesen, hob er hervor. Dies sei ein umso wichtigeres Symbol, als dass man sich aktuell in einer Zeit befinde, in der Positionen oft „apokalyptisch“ vorgetragen und ein Kompromiss nicht selten wie Verrat bewertet werde.
Sowohl Spahn als auch BÄK-Präsident Reinhardt zeigten sich dabei zurückhaltend, ob die nun verabschiedete Lösung der Stärkung der Entscheidungsbereitschaft – unter anderem durch eine regelmäßige Beratung in Hausarztpraxen – tatsächlich die Spenderzahlen erhöhen kann. Sollte dies nicht der Fall sein, werde man die Widerspruchslösung “nach einer gewissen Zeit” wieder diskutieren, stellte Reinhardt in Aussicht. Er persönlich werte die Ablehnung der Widerspruchslösung auch als Indiz dafür, dass “wir in einer Gesellschaft lebe, in der das Nehmen einen höheren Wert hat als das Geben”, bedauerte er. Auch Spahn unterstrich, dass man “in drei, vier, fünf Jahren” erneut werden sehen müsse, wo man mit der Organspende stehe.