Berlin. Die Pläne für eine Masern-Impfpflicht in Deutschland werden konkreter. Anfang Mai wird dazu ein Vorschlag des zuständigen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) erwartet. Spahn hat sich für verpflichtende Masern-Impfungen für Kinder in Kitas und Schulen ausgesprochen. Auch die SPD plädiert dafür. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder ist jedoch skeptisch. Unter den Ländern gibt es derzeit auch keine einheitliche Position. Einige wollen den Vorschlag des Bundes abwarten. Dies würde jedenfalls eine bundeseinheitliche Lösung erleichtern.
Viele Befürworter auf Bundesebene
Neben dem Brandenburger Landtag zeigte sich Nordrhein-Westfalens Landesregierung entschlossen, eine Impfpflicht einzuführen. Derzeit prüft das Land aber noch. Familienminister Joachim Stamp (FDP) sagte der „Rheinischen Post“: „Ich bin für eine generelle Impfpflicht – das gilt auch für Kindergärten.“ Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ist dafür.
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles unterstützt Spahns Vorhaben. „Ich finde es richtig, bei sehr ansteckenden Krankheiten wie Masern eine Impfpflicht einzuführen“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). Es gehe dabei nicht nur um die Gesundheit der Kinder, sondern auch um den Schutz älterer Menschen mit geschwächtem Immunsystem vor Ansteckung. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bekräftigte im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag): „Staatliches Handeln ist gefragt, wenn das Risiko, andere Kinder in Kindergärten, Schulen oder in anderen Einrichtungen zu gefährden, nicht anders in den Griff zu bekommen ist.“
Brandenburg war am Donnerstag vorgeprescht. Der Landtag forderte die rot-rote Landesregierung mit breiter Mehrheit auf, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass bis zu einer bundesrechtlichen Lösung eine Impfung als verpflichtende Voraussetzung für den Besuch von Kitas und Tagespflege gilt. Zugleich soll die Landesregierung eine Bundesratsinitiative einbringen. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) plädierte am Sonntag dafür, dass seine Landesregierung die Initiative unterstützt.
Eine Impfpflicht für Kita-Kinder ginge weiter als das, was die Bundesregierung bereits in der vergangenen Legislaturperiode an schärferen Regeln beschlossen hatte. Seitdem müssen Eltern, die ihre Kinder in Kitas schicken wollen, unter anderem eine verpflichtende Impfberatung nachweisen können. Auch in diesem Fall lief es so, dass der Bund die bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen dafür vorgab, die die Länder dann umsetzen sollten.
Nach einem Masern-Ausbruch in Schleswig-Holstein forderte die oppositionelle Hamburger CDU eine Impfung aller städtischen Mitarbeiter, die mit Kindern arbeiten. Außerdem solle der Besuch einer Kita für Kinder nur noch mit „einwandfrei nachgewiesenem Impfstatus“ möglich sein, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin Birgit Stöver der dpa. Laut Hamburger Senat liegt die Impfquote bei 93,5 Prozent. Das „reicht schon heute nicht, um Ansteckungen vollständig zu verhindern, geschweige denn die Masern vollständig auszurotten“, sagte Stöver.
Abwarten in Berlin und München
Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) argumentierte: „Prinzipiell habe ich nichts gegen eine Impfpflicht, aber wir warten jetzt den Gesetzentwurf auf Bundesebene dazu ab.“ Wenn die Impfpflicht bundesweit komme, setze Berlin sie um. In Niedersachsen will Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) erst dann über eine Impfpflicht diskutieren, wenn es langfristig zu einer Verschlechterung der Situation kommt. Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) will mit einer besseren Aufklärung für höhere Impfquoten sorgen. „Aus unserer Sicht ist eine Impfpflicht im Moment nicht verhältnismäßig und auch nicht notwendig“, sagte er der dpa.
CSU-Chef Söder dagegen wirbt zwar für freiwillige Impfungen, sieht eine Impfpflicht aber skeptisch. Dazu gebe es derzeit noch keine Veranlassung, sagte der bayerische Ministerpräsident am Sonntag in München. Die Impfquote sei noch ausreichend, so dass über solche Maßnahmen noch nicht nachgedacht werden müsse.
Ein Zwang zur Masern-Immunisierung dürfte nicht leicht durchzusetzen sein. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte schon vor zwei Jahren auf verfassungsrechtliche Probleme hingewiesen. Experten wiesen darauf hin, dass eine Impfung einen medizinischen Eingriff darstellt. Dies könne unter dem Prälat des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit nicht ohne weiteres erzwungen werden. Die Experten schlossen aber die Möglichkeit, eine Impfpflicht für bestimmte Krankheiten durchzusetzen, nicht generell aus.
Für Kita-Kinder könnte das noch einigermaßen funktionieren, bei Schul-Kindern ist das möglicherweise schwieriger. Und jenseits der rechtlichen Problematik kommt noch hinzu, dass die Impfung in mehreren Schritten erfolgt und erst danach wirksam wird. Entschieden werden muss also auch über den Impfstoff und darüber, ob es Dreifach- oder Vierfach-Impfungen gibt.
Quelle: dpa