Berlin. Der Bund will die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Reform der Zulassung zum Medizinstudium den Ländern überlassen. Das geht aus einer Antwort des Bundesbildungsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Auch wenn die Reform kommt, müssen sich zehntausende Bewerber jedes Jahr darauf einstellen, von den Hochschulen abgewiesen zu werden.
„Selbst wenn wir zehn Prozent mehr Ärzte ausbilden würden als heute, gäbe es immer noch weit mehr Bewerber als Studienplätze”, sagte der Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentages, Frank Wissing, der dpa. Derzeit werden jährlich rund 11.000 der bis zu 50.000 Bewerber für ein Medizinstudium an den öffentlichen Hochschulen zuglassen. „Nach einer Reform könnte die Zahl der Bewerber noch einmal steigen”, sagt Wissing. Denn man dürfte dann auch mit etwas schlechteren Noten bessere Chancen haben. „Daran, dass wir gute Bewerber abweisen müssen, wird sich leider nichts ändern.”
Staatsvertrag-Entwurf soll bis Juni vorliegen
Doch das Verfahren zur Vergabe von Medizin-Studienplätzen soll anders werden. Karlsruhe hatte am 19. Dezember entschieden, dass es teils verfassungswidrig ist und bis Ende 2019 neu geregelt werden muss. Heute haben fast nur Einser-Abiturienten eine Chance, für viele gelten Wartezeiten von bis zu 15 Semester. Die Richter verlangten unter anderem transparentere Verfahren, mehr Vergleichbarkeit der Abinoten und weniger Wartezeit.
Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz (KMK) sagte, die KMK-Gremien berieten derzeit über das weitere Vorgehen. Eine verbindliche Positionierung des Bundes sei abzuwarten. Aber vieles deute auf eine Anpassung des „Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung” hin.
Wie ein der dpa vorliegender Zeitplan der Länder zeigt, wollen diese bis Juni den Entwurf für eine Änderung des Staatsvertrags erarbeiten. Der Bund will sich weitgehend heraushalten. „Der im Urteil formulierte Regelungsauftrag richtet sich nach dem Verständnis der Bundesregierung primär an die Länder”, schreibt das Bildungsressort in seiner Antwort auf die Grünen-Anfrage.
Droht eine Klagewelle von Bewerbern?
Deren hochschulpolitische Sprecher Kai Gehring kritisierte: „Die Bundesregierung geht mit dieser Passivität ein hohes Risiko ein.” Sollten die Länder bei der Überarbeitung ihres Vertrags in Verzug oder Konflikt geraten, drohe Chaos. „Denn das für verfassungswidrig erklärte Zulassungsverfahren gilt ab dem 1. Januar 2020 nicht mehr.” Ohne Neureglung drohe eine Klagewelle von Studienbewerbern.
Eine der dpa vorliegende Vorlage für die Kultusminister der Länder zeigt, dass diese noch allerhand Klärungsbedarf haben, wie die Vorgaben der Richter umgesetzt werden sollen. Entschieden werden müsse etwa, ob die Wartezeit begrenzt oder die bestehende Quote bei der Plätzevergabe nach Wartezeit ganz aufgehoben werden solle. Nötig seien „zeitnahe Richtungsentscheidungen”, heißt es in dem Länderpapier. Möglich seien aber auch Übergangsregelungen.
„Wir wünschen uns einen großen Wurf”
Wissing sagte: „Wir wünschen uns einen großen Wurf und ein neues, robustes Verfahren statt Reparaturarbeiten und Klein-Klein.” Innerhalb der Fakultäten gebe es viel Unzufriedenheit. So habe die Wartezeitquote eine hohe Abbrecherquote erzeugt – sie müsse komplett abgeschafft werden.
„Angesichts der hohen Bewerberzahlen brauchen wir ein zentrales Auswahlverfahren, zugleich müssen wir den Hochschulen die Möglichkeit lassen, Studierende entsprechend ihrem Profil auszuwählen”, forderte Wissing. Ein Vorschlag von Medizin-Fakultäten und -studierenden sieht eine bundesweite Auswahl nach Abinote, Studierfähigkeit und praktische Erfahrung und einem Test vor. Die Hälfte der Plätze solle so vergeben werden, die andere über Auswahlgespräche der Hochschulen.
Betroffene sind laut Deutschem Studentenwerk oft mit großen Belastungen konfrontiert. „Natürlich ist es belastend, wenn man seinen Berufswunsch nicht absehbar erfüllen kann”, sagte Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde der dpa. Die Politik müsse für Gleichbehandlung sorgen. So müssten Bewerber Kosten erstattet bekommen, wenn sie zu mehreren Hochschulen reisen, um sich vorzustellen. Sonst würden sozialschwächere Bewerber benachteiligt, die sich das nicht gut leisten könnten.
Quelle: dpa