Heilpflanzen sind Vielstoffgemische und daher in der Lage, mehrere Ansatzpunkte gleichzeitig zu adressieren. “Zusätzlich zu dieser Multitarget-Wirkung haben Phytotherapeutika den Vorteil, dass es den Erregern schwerer fällt, Resistenzen gegen die Wirkstoffgemische auszubilden”, erklärte Dr. Petra Sandow, Berlin.
Ein Problem vieler Phytotherapeutika ist die schwierige Standardisierbarkeit der Pflanzenextrakte. Abhängig vom Anbaugebiet oder dem Extraktionsverfahren können die wirksamen Substanzen in unterschiedlichen Zusammensetzungen enthalten sein.
Generell unterliegen Phytotherapeutika dem Arzneimittelgesetz und müssen für ihre Zulassung dieselben Auflagen erfüllen wie synthetische Arzneimittel.
Myrtol verbessert mukoziliären Transport
Bei einer akuten Bronchitis empfiehlt die Leitlinie zum Beispiel ein Mischdestillat aus Eukalyptusöl, Süßorangenöl, Myrtenöl und Zitronenöl (die Kombination ist unter der Bezeichnung Myrtol bekannt) [1].
Hier sollte man daran denken, dass Myrtol eine relativ schwierige gastrointestinale Verträglichkeit aufweist. “Trinken die Patienten ein großes Glas Wasser begleitend zur Einnahme, verbessert sich die Verträglichkeit”, erklärte die Allgemeinärztin.
Die Wirksamkeit von Myrtol verdeutlichte Sandow anhand einer Untersuchung mit gesunden Probanden. Durch die Einnahme von Myrtol beschleunigt sich der mukoziliäre Transport in der Kieferhöhle signifikant.
Bereits nach wenigen Minuten bewegte sich der Schleim deutlich schneller nach oben in Richtung des Ausführungsgangs der Kieferhöhle als bei der Placebogruppe. “Der zügigere Abtransport des Schleims sorgt auch für einen rascheren Abtransport der Erreger”, so Sandow.
Auch bei Patienten mit akuter Bronchitis erwies sich Myrtol gegenüber Placebo als überlegen: In einer randomisiert-kontrollierten Studie waren die Hustenanfälle unter Myrtol an Tag 7 deutlich geringer als unter Placebo (62,1 Prozent versus 49,8 Prozent) [2].
Myrtol ist auch für Schwangere mit Bronchitis oder Nasennebenhöhleninfektion zugelassen.
Hustenlinderung mit Thymiankraut
Eine leitliniengerechte Therapie der akuten Bronchitis gelingt auch mit Extrakten aus Thymiankraut und Efeublättern oder aus Thymiankraut und Primelwurzeln [1].
Wie randomisiert-kontrollierte Studien belegen, verkürzen bzw. lindern beide Extrakte die Hustensymptome bei akuter Bronchitis [3,4]. Nur wenn die Therapie mit Phytotherapeutika nach 10 Tagen keine Verbesserung bewirkt, oder es nach einer knappen Woche zu einer Verschlimmerung kommt, ist ggf. die Gabe eines Antibiotikums indiziert.
“Ansonsten sind Phytotherapeutika in den Leitlinien so weit nach oben gerückt, dass wir damit in erster Linie behandeln können und sollen”, konstatierte Sandow.
Literatur
- S3-Leitlinie: DEGAM-Leitlinie Nr. 11 Husten Stand: 2/2014
- Gillissen, A et al. Drug Res (Stuttg), 2013; 63(1): 19-27
- Kemmerich B. Arzneimittelforschung 2007; 57(9): 607-615.
- Kemmerich B et al. Arzneimittelforschung 2006; 56(9): 652-660
Quelle: Hausarzt-Tag 2020, Vortrag Dr. Petra Sandow: “Leitliniengerechte Anwendung von Phytotherapie”, am 7. März 2020 in München.