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Forum PolitikHistorie: Nicht immer einer Meinung, aber einig im Ziel

Beim Deutschen Hausärztetag in Potsdam hat Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt im Zuge der Standortbestimmung des Verbandes auch einen kurzen Blick in die Historie geworfen. Zudem feiert die DEGAM dieses Jahr ihr 50. Jubiläum. Zwei Anlässe, die gemeinsame – wechselvolle – Geschichte dieser für Hausärzte so wichtigen Organisationen zu beleuchten.

Dieses Jahr blicken Deutscher Hausärzteverband und Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) bereits auf 50 Jahre gemeinsamen Einsatz für Hausärzte zurück. Die Festschrift zum Jubiläum der DEGAM gibt einen Überblick über Erfolge und Herausforderungen der Disziplin. Dabei wird auch deutlich: Gemeinsam hat man vieles erreicht, auch wenn noch längst nicht alle Aufgaben gemeistert sind. Schon in der Nachkriegszeit hatten Fachärzte versucht, die Praktischen Ärzte als "Barfußmedizin" zu diskreditieren.

1950-60:

Bereits in den 50er- und frühen 60er-Jahren setzten die wachsenden und sich weiter ausdifferenzierenden Facharztdisziplinen die Bedeutung der hausärztlichen Tätigkeit herab. Dem Praktischen Arzt wurde nur noch die Zuständigkeit für Husten, Heiserkeit und für Hausbesuche eingeräumt, die Kompetenz für wirklich relevante medizinische Diagnosen und deren Behandlung reklamierten Spezialisten für sich.

An den Universitäten war die Allgemeinmedizin als Lehr- und Prüfungsfach nicht vertreten. Den organisierten Fachärzten gelang es auch ihre berufspolitischen Interessen zulasten der Praktischen Ärzte, durchzusetzen. Dies betraf besonders die Weiterbildungsordnung und die Honorarverteilung. 1965 wurde die Einzelleistungsvergütung geschaffen, was besonders Spezialisten ausnutzten. Die folgende Honorardeckelung benachteiligte wiederum speziell Hausärzte, weil sie durch ihr Leistungsspektrum nicht im gleichen Maße abrechnen konnten wie Spezialisten mit technischen Leistungen.

Aber: Gegen diese die Hausärzte auch wissenschaftlich abwertende Front der Fachärzte formierte sich Widerstand.

1960:

Aus zunehmender Unzufriedenheit gründeten die Praktischen Ärzte ihren eigenen Verband, den Berufsverband der Praktischen Ärzte (BPA).

1965

gründeten die Praktischen Ärzte Hermann Kerger und Gerhard Jungmann in Frankfurt die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin e.V. (DEGAM). Fast zeitgleich, 1966, gründeten der damalige Berufsverband der Praktischen Ärzte (BPA) und der NAV Virchowbund das Deutsche Institut für Allgemeinmedizin e.V.. 1975 verschmolzen beide mit der VHLA (Vereinigung der Hochschullehrer und Lehrbeauftragten der Allgemeinmedizin) zur Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin e.V. (DEGAM). Deren Hauptanliegen war die Akademisierung der Allgemeinmedizin und ihre gleichwertige Repräsentanz an allen medizinischen Fakultäten. Es fehlte der wissenschaftlichen Organisation jedoch an politischer Durchsetzungskraft, weshalb sie bis in die 90-er nur bescheidene Fortschritte erreichte.

1995

vereinigten sich der Berufsverband der Praktischen Ärzte (BPA) und der Fachverband Deutscher Allgemeinärzte (FDA) zum Bundesverband Deutscher Allgemeinärzte (BDA). Dieser heißt seit 2002 Deutscher Hausärzteverband. Der Zusammenschluss hatte weitreichende, positive Folgen für die Hausärzte. BDA und DEGAM konnten jetzt ihre gebündelte Stärke in die damalige Diskussion einbringen: 1995 kämpften sie gemeinsam dafür, die Weiterbildung in Allgemeinmedizin auf fünf Jahre festzulegen. Dies setzten sie auf dem Deutschen Ärztetag 1996 in einem Beschluss durch. In der Folge wurde der Facharzt für Allgemeinmedizin eingeführt und war damit begrifflich den anderen Fachärzten gleichgestellt.

Dieder Erfolg konnte trotzdem nicht verhindern, dass hausärztliche Kompetenzen fachärztlichen Gruppen zugeordnet wurden. Auch bei der Honorarverteilung in der KV wurden Hausärzte massiv benachteiligt.

1995

erlaubte die Politik Versicherten zudem, ihre Kasse frei zu wählen, und führte die Versichertenkarten ein. Das öffnete die Schleusen zum "Doktorhopping". Die dadurch ausgelöste Über- und Unterversorgung belastete nicht nur die angemessene medizinische Versorgung, sondern steigerte auch die Kassenausgaben. Dies ist bis heute nicht gelöst und wird derzeit in Zusammenhang mit der Patientensteuerung diskutiert.

Wo stehen wir heute?

Dies sind nur ein paar historische Blitzlichter, die aber zeigen, warum der Bedarf an Hausärzten immer mehr steigt und wir alle gemeinsam daran arbeiten müssen, den Nachwuchs noch mehr für die Allgemeinmedizin zu begeistern. Einige Erfolge der gemeinsamen Arbeit von DEGAM und Hausärzteverband in den letzten Jahren sind unübersehbar:

  • Die Allgemeinmedizin ist inzwischen an fast allen Universitäten etabliert. Nun geht es darum, die Ausstattung der Lehrstühle zu verbessern.

  • Mit der Hausarztzentrierten Versorgung gibt es seit 2004 eine eigene Versorgungsform, die für Patienten eine koordinierte und qualitativ hochwertige Versorgung durch die Hausarztpraxis ermöglicht. Gleichzeitig trägt sie dazu bei, Hausarztpraxen zu sichern, da diese Versorgung allein in Händen der Hausärzte und nicht der fachärztlich dominierten Kassenärztlichen Vereinigungen liegt.

  • Durch eine attraktivere Vergütung – in der HZV und dadurch aber auch im Kollektivvertrag – wird die Hausarztpraxis auch finanziell für Medizinstudierende wieder attraktiv. Mit der HZV werden Hausärzte als das zentrale Scharnier in der Versorgungskette anerkannt und gewertschätzt.

  • Mit aktuellen Gesetzen will die Politik die Aus- und Weiterbildung von Allgemeinmedizinern weiter verbessern (Stichworte: Hausärztliche Versorgungszentren, Medizinstudium 2020, Kompetenzzentren, Weiterbildungsförderung).

Fazit:

Diese Errungenschaften sind der gemeinsamen Arbeit von Deutschem Hausärzteverband und DEGAM zu verdanken. Nicht immer waren und sind wir einer Meinung. Uns eint aber das Ziel, den Hausärztinnen und Hausärzten den Stellenwert zu verschaffen, den sie verdient haben und der für eine hochwertige Versorgung der Patienten wichtig ist.

Nur wenn die Praxen glaubhaft machen, dass die Aus- und Weiterbildung zum Allgemeinmediziner eine hochinteressante und gesellschaftlich anerkannte Tätigkeit ist, die auch finanziell gesichert ist, kann die Allgemeinmedizin mehr Anhänger unter den Studierenden finden.

Festschrift

In "Von der allgemeinen Medizin zur Allgemeinmedizin" zeigt die Festschrift der DEGAM in 70 Beiträgen, wie die wissenschaftliche Fachgesellschaft sich seit 1965 entwickelt hat. Die Autoren beleuchten dabei nicht nur die Erfolge, sondern erzählen an his-torischen Beispielen auch, welchen Herausforderun-gen sich die Allgemeinmedizin stellen musste und dies immer noch tut.

Die 144 Seiten, die Herausgeber Prof. Dr. Frank H. Mader koordiniert und auch selbst mitverfasst hat, inspirieren durch zahlreiche Anekdoten und den persönlichen Blick der verschiedenen allgemeinmedizinischen Autoren auf ihre Disziplin. Sie würdigen auch die Arbeit des Haus-ärzteverbandes und geben Impulse für die aktuelle Arbeit von DEGAM und Hausärzteverband.

"Von der allgemeinen Medizin zur Allgemeinmedizin", Kirchheim-Verlag, 19,90 Euro, ISBN 978-3-87409-626-3

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