Eine adäquate und frühzeitige Schmerztherapie kann bei akuten Schmerzen chronische Verläufe verhindern. Sechs häufige Fragen zur hausärztlichen Behandlung.
Schmerzen betreffen fast jeden: Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes klagten 88 Prozent der Männer und 94 Prozent der Frauen innerhalb eines Jahres über Schmerzen [1]. Analgetika, Antiphlogistika und Antirheumatika zählen in Deutschland zu den umsatzstärksten Arzneimittelgruppen [2], zudem setzt sich der Trend fort, dass opioidhaltige Analgetika häufiger verordnet werden [3].
Die nicht verschreibungspflichtigen Analgetika (OTC) belegten bei den Umsatz- und Absatzzahlen des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller im Jahr 2019 die Top drei [4].
Um den schädlichen Gebrauch dieser frei verkäuflichen Analgetika zu minimieren, hat der Deutsche Bundesrat im Juni 2018 einen Warnhinweis auf rezeptfreie Analgetika beschlossen [5], Zusatzregelungen erlauben es Großhändlern und Apotheken jedoch zunächst weiterhin, Medikamente ohne Warnhinweis zu vertreiben.
Umso wichtiger ist es, akute Schmerzen adäquat und frühzeitig zu therapieren: So lassen sich langfristig chronische Verläufe verhindern. [6]
Welche akute Schmerztherapie empfiehlt die WHO?
Das im Jahr 1986 veröffentlichte WHO-Stufenschema wurde ursprünglich zur Therapie von Tumorschmerzen entwickelt. Mittlerweile kommt es auch bei Schmerzen ohne Tumorhintergrund zum Einsatz, obwohl es keine Leitlinie gibt, die dieses Verfahren explizit empfiehlt. Daneben rät die WHO zu fünf Behandlungsmaximen, die Sie auch bei der akuten Schmerztherapie anwenden können. [7]
Behandlungsmaxime der WHO
„by the mouth“: Orale Schmerzmedikation bevorzugen.
„by the clock“: Nach Möglichkeit feste Einnahmezeiten anordnen, um zum Beispiel mit Retard-Präparaten zwischen den Einnahmezeiten keine Schmerzen zuzulassen.
„by the ladder“: Auswahl und Dosierung des Analgetikums der Schmerzangabe des Patienten anpassen.
„by the individual“: Bei jedem Patienten zusätzlich zur Basismedikation individuell Adjuvanzien auswählen und eine Bedarfsmedikation verordnen.
„attention to detail“: Mögliche Nebenwirkungen und Prophylaxen besprechen. Nicht medikamentöse Maßnahmen frühzeitig im Behandlungsplan berücksichtigen.
Zu welcher Selbstmedikation sollten Sie raten ?
1. Für kleinere Prellungen oder Schmerzen der kleinen Gelenke können Sie topisch angewandte Analgetika wie Diclofenac für wenige Tage empfehlen. Der geringeren Wirksamkeit im Vergleich mit oralen Analgetika steht vor allem die verminderte Nebenwirkungsrate entgegen.[8]
2. Bei dem grundsätzlich empfehlenswerten Paracetamol sollte die Tageshöchstdosis von 2.000 mg nicht überschritten werden, da sonst relevante lebertoxischen Nebenwirkungen drohen.[9] Die analgetische Potenz ist im Vergleich mit anderen Analgetika zwar nur gering, das Nebenwirkungsprofil jedoch besser.[10] Paracetamol zeigt für Patienten ab 65 Jahre das beste Risikoprofil.[11] Auch Schwangeren ist Paracetamol für die Hausapotheke zu empfehlen.[12]
3. Frei verkäufliche nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen oder Naproxen sind gut analgetisch wirksam.[10] Auf die Risiken einer Langzeittherapie sollten Sie jedoch aufmerksam machen: gastrointestinale sowie Nieren- und Leberschäden, Erhöhung des Herzinfarktrisikos, Wechselwirkungen mit Glukokortikoiden und Antikoagulanzien.[13, 14] Vor allem die Dreifachkombination von Diuretika, Hemmern des Renin-Angiotensin-Systems und NSAR sollte nur unter Kreatinin-Kontrolle erfolgen.[15] Generell sind NSAR, vor allem bei älteren Patienten, nur so kurz wie möglich und möglichst niedrig dosiert einzunehmen. Kontraindiziert sind die klassischen NSAR im letzten Drittel der Schwangerschaft.[12]
4. Ab einer Dosierung von mindestens 500-1.000 mg für eine analgetisch-antiphlogistische Wirkung ist Acetylsalicylsäure (ASS) ebenfalls eine Alternative für die Hausapotheke. Die Nebenwirkungen entsprechen den NSAR, jedoch werden bei ASS besonders für Asthmatiker selten gefährliche Bronchokonstriktionen beschrieben.[16] Für Kinder und Jugendliche stellt Paracetamol die bessere Alternative dar, auch für Schwangere ist ASS als Analgetikum nur zweite Wahl.[12]
5. Auch bei Triptanen, welche bei Migräne indiziert sind, gibt es mehrere OTC-Präparate. Wegen der zahlreichen Kontraindikationen ist vor einer Selbstmedikation unbedingt ein Beratungsgespräch in der Hausarztpraxis nötig. Triptane in der Selbstmedikation sollten Kindern und Jugendlichen nicht und über 65-Jährigen nur zurückhaltend empfohlen werden.