SonderveröffentlichungVitamin B12: Orale Gabe so effektiv wie Injektion

Ein Vitamin-B12-Mangel ist keine Seltenheit. Betroffen sind vor allem Risikogruppen wie ältere Menschen, Patientinnen und Patienten mit gastrointestinalen Erkrankungen und solche, die bestimmte Medikamente einnehmen, sowie Vegetarier und Veganer [1]. Beheben lässt sich das Defizit durch eine Supplementation mit Cobalamin in ausreichend hoher Dosierung [2]. In vielen Fällen ist die orale Gabe so wirksam wie die intramuskuläre Injektion [3].

Müdigkeit, Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit sowie Kribbeln in Händen und Füßen können Symptome eines Vitamin-B12-Mangels sein. Doch die Beschwerden sind unspezifisch, daher denken viele bei deren Auftreten nicht gleich an einen Vitaminmangel. Ohne Behandlung können langfristig jedoch hämatologische und neuropsychiatrische Probleme hinzukommen. Da neurologische Schäden irreversibel sein können, sollte spätestens beim Auftreten der ersten Symptome eine Abklärung des Vitamin-B12-Status erfolgen [1].

Jeder vierte Senior betroffen

Ein Vitamin-B12-Mangel kommt häufiger vor als vielfach angenommen [1]. Vor allem bei älteren Menschen ist daran zu denken, denn etwa jeder vierte über 65-Jährige ist davon betroffen [4]. Eine unzureichende Aufnahme des Vitamins mit der Nahrung (z.B. bei Vegetariern, Veganern oder bei Alkoholabusus) oder eine gestörte Resorption sind die Ursache eines Vitamin-B12-Mangels. Eine gestörte Resorption kann durch Erkrankungen wie die atrophische Gastritis oder durch bestimmte Medikamente wie Protonenpumpenhemmer (PPI) oder Metformin ausgelöst werden [1]. In Studien wurde gezeigt, dass die Einnahme von PPI das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel um bis zu 65% erhöhen kann [5, 6]. Eine langfristige Anwendung von Metformin kann das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel fast dreifach erhöhen [7].

Orale versus parenterale Therapie

Wird der Mangelzustand rechtzeitig erkannt, kann eine Vitamin-B12-Supplementation schwerwiegende Folgen verhindern. Liegen weder ein schwerwiegender Vitamin-B12-Mangel noch schwerwiegende neuropsychiatrische oder hämatologische Symptome vor, dann ist die orale Therapie genauso effektiv wie die parenterale Therapie [3].

Die Wirksamkeit von oral eingenommenem Cyanocobalamin zur Behandlung eines Vitamin-B12-Mangels unterschiedlicher Ursache ist durch Studien nachgewiesen. In einer Studie waren 60 Patientinnen und Patienten mit megaloblastärer Anämie aufgrund eines Vitamin-B12-Mangels eingeschlossen. Sowohl die orale als auch die parenterale Applikation führten zu einer signifikanten Verbesserung der Vitamin-B12-Spiegel und auch der hämatologischen Parameter (Hämoglobin, Leukozyten, Thrombozyten) an den Tagen 10, 30 und 90 im Vergleich zu Studienbeginn [8]. Die Patienten hatten entweder Cyanocobalamin oral oder Cobalamin parenteral in denselben Dosierungen erhalten (10 Tage 1000 µg täglich, danach für 4 Wochen 1000 µg wöchentlich, danach 1000 µg monatlich).

In einer prospektiven, randomisierten Studie mit 37 Patienten, deren Vitamin-B12-Serumkonzentration unterhalb von 200 pmol/l lag, konnte die Nichtunterlegenheit über den Studienzeitraum von 28 Tagen der oralen Cyanocobalamin-Gabe gegenüber der einmal wöchentlichen intramuskulären Injektion von Hydroxocobalamin zwar nicht nachgewiesen werden, dennoch normalisierten sich die Holotranscobalamin- und Methylmalonsäure-Spiegel unter oraler Einnahme schon nach 14 Tagen. Die Mehrheit (84,2% bzw. 73,9%) der Patienten kam nach einem Monat unter der oralen Therapie auch mit ihren Vitamin-B12- bzw. Homocystein-Spiegeln in den Normalbereich. Die Studienautoren schlussfolgern, dass es fraglich ist, ob die stark ausgeprägte Änderung der Blutparameter nach der intramuskulären Gabe, einen Vorteil für den klassischen Patienten in der Hausarztpraxis bietet [9].

Schließlich wurden die beiden Applikationsformen in einem Cochrane-Review verglichen. Die Autoren der systematischen Übersichtsarbeit zogen den Schluss, dass die orale und die intramuskuläre Zufuhr von Vitamin B12 ähnliche Effekte hinsichtlich der Normalisierung der Vitamin-B12-Spiegel zeigen [3].

Auch Senioren profitieren von oraler Supplementation

Für die Praxis ist die Wirksamkeit der oralen Vitamin-B12-Supplementation vor allem in der Risikogruppe der Senioren interessant. Auch hierzu gibt es Daten, die zeigen, dass die orale Anwendung von Cobalamin bei älteren Patienten mit Vitamin-B12-Mangel so wirksam ist wie die parenterale Therapie. In einer randomisierten, multizentrischen Studie hatten 283 Personen im Alter von ≥ 65 Jahren entweder Cyanocobalamin oral oder intramuskulär erhalten. Nach 8 Wochen lag der Anteil der Patienten, die normale Vitamin-B12-Spiegel (≥ 211 pg/ml) erreichten, in beiden Gruppen deutlich über 90% [10].

Wirksam auch bei gestörter Resorption

Das Vorliegen von Resorptionsstörungen scheint keinen Einfluss auf die Wirksamkeit von Cyanocobalamin bei oraler Gabe zu haben, wie eine offene Studie mit 30 Personen im Alter von durchschnittlich 72 Jahren zeigte. Die Studienteilnehmer wiesen einen Vitamin-B12-Mangel aufgrund einer Resorptionsstörung bei Magenerkrankungen, Pankreasinsuffizienz, Einnahme von Säureblockern, Alkoholabusus oder höherem Alter auf. Bei täglicher Einnahme von 250–1000 µg Cyanocobalamin war der Vitamin-B12-Spiegel bei allen Probanden nach einem Monat signifikant angestiegen. Wobei der stärkste Anstieg der Vitamin-B12-Spiegel bei den Personen, welche täglich 1000 µg eingenommen haben, festgestellt wurde. Bei 87% normalisierten sich die Spiegel auf > 200 pg/ml [11]. Auch nachfolgende Untersuchungen zum Einsatz von hochdosiertem oralen Vitamin B12 zeigten, dass bei Vorliegen gastrointestinaler Störungen die orale Gabe eine effektive alternative Therapie zur intramuskulären Gabe ist (ausgenommen bei Patienten mit schwerer neurologischer Symptomatik) [12].

Orale Gabe wird bevorzugt

Ein wichtiger Punkt, der für die orale Gabe von Vitamin B12 spricht, ist die höhere Anwenderfreundlichkeit. Die orale Einnahme ist für die meisten Menschen einfacher und angenehmer als eine Injektionstherapie. Dementsprechend gab in einer Studie die Mehrheit (83,4%) der Patienten an, dass sie die orale Gabe bevorzugen [10]. Zur Behebung eines Vitamin-B12-Mangels durch eine orale Therapie sind Wirkstoffdosen > 600 µg Cyanocobalamin täglich erforderlich. Das lässt sich aus einer Dosisfindungsstudie folgern [2].

Welches Cobalamin verabreichen?

Welches Cobalamin oral verabreicht wird, spielt keine Rolle. Cyanocobalamin wird im Organismus in die wirksamen Formen Methylcobalamin und 5-Adenosylcobalamin umgewandelt. Auch bei oraler Gabe von Methyl- oder Adenosylcobalamin werden diese so verstoffwechselt, dass zunächst der Methyl- oder Adenosylrest abgespalten werden und danach in der Zelle die aktive Form gebildet wird. Es ergibt sich daher kein Vorteil aus der Supplementierung mit Methyl- oder Adenosylcobalamin [13].

Zu den oral anwendbaren Arzneimitteln mit der höchsten verfügbaren Vitamin-B12-Dosierung von 1000 µg Cyanocobalamin pro Tablette gehört Vitaprompt®. Es ist zugelassen für die Behandlung eines Vitamin-B12-Mangels aufgrund einer Fehlernährung, für die Langzeitbehandlung eines Vitamin-B12-Mangelsyndroms, z. B. aufgrund von Malabsorption, sowie für die orale Behandlung der perniziösen Anämie und des Vitamin-B12-Mangels mit neurologischen Symptomen nach rascher Normalisierung der Vitamin-B12-assoziierten Biomarker unter parenteral verabreichtem Vitamin B12. Das laktosefreie Medikament wird in Deutschland hergestellt, wo es auch entwickelt wurde.

Literatur

  1. Herrmann W et al. Dtsch Ärztebl. 2008;105(40):
680-685
  2. Eussen SJ et al. Arch Intern Med. 2005;165(10):
1167-1172
  3. Wang H et al. Cochrane Database Syst Rev. 2018;
3(3):CD004655
  4. Conzade R et al. Nutrients. 2017;9(12):1276
  5. Lam JR et al. JAMA. 2013;310:2435-2442
  6. Choudhury A et al. Expert Rev Gastroenterol ­Hepatol 2023;17(5):479-487
  7. Yang W et al. J Diabetes 2019;11(9):729-43
  8. Bolaman Z et al. Clin Ther. 2003;25(12):3124-3134
  9. Metaxas et al. Swiss Med Wkly. 2017;147:w14421
  10. Sanz-Cuesta T et al. BMJ Open 2020;10(8):e033687
  11. Andrès E et al. Clin Lab Haematol. 2003;25(3):161-166
  12. Andrès E et al. J Clin Med 2018;7(10):304
  13. Obeid R et al. Mol Nutr Food Res. 2015;59(7):
1364-1372

Impressum

  • Report in „Der Hausarzt“ 16/2023.
  • Bericht: Dr. Judith Neumaier.
  • V.i.S.d.P.: J. Dielmann-von Berg.
  • Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Inhalte
  • Mit freundlicher Unterstützung von mibe GmbH Arzneimittel

Vitaprompt® 1000 Mikrogramm Filmtabletten

Wirkstoff: Cyanocobalamin. Zusammensetzung: 1 Tablette enthält 1000 μg Cyanocobalamin (Vitamin B12). Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Mannitol (Ph.Eur.) (E 421), Mikrokristalline Cellulose, Magnesiumstearat (Ph.Eur.) [pflanzlich], Natriumcarboxymethylstärke (Ph.Eur.) (Typ A), Tablettenüberzug: Hypromellose, Titandioxid (E 171), Hydroxypropylcellulose, Talkum, Mittelkettige Triglyceride. Anwendungsgebiete: Behandlung eines Vitamin-B12-Mangels aufgrund von Fehlernährung, Langzeitbehandlung eines Vitamin-B12-Mangelsyndroms, z. B. aufgrund von Malabsorption, Orale Behandlung der perniziösen Anämie und des Vitamin-B12-Mangels mit neurologischen Symptomen nach rascher Normalisierung der Vitamin-B12-assoziierten Biomarker unter parenteral verabreichtem Vitamin B12. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen einen der Bestandteile. Vitaprompt darf nicht zur Behandlung der ausschließlich durch Folsäuremangel verursachten megaloblastären Anämie angewendet werden. Vitaprompt darf nicht bei Patienten angewendet werden, die sich einer Cyanidentgiftung unterziehen müssen (z. B. Patienten mit Retrobulbärneuritis bei perniziöser Anämie). In diesen Fällen muss ein anderes Cobalaminderivat verabreicht werden. Patienten mit Vitamin-B12-Mangel und einem Risiko für Lebersche hereditäre Optikusatrophie dürfen zur Behandlung ihres Vitamin-B12-Mangels kein Cyanocobalamin erhalten. Vitaprompt darf nicht bei Patienten mit Tabak- oder Alkohol-Amblyopie angewendet werden. Nebenwirkungen: Schwere Überempfindlichkeitsreaktionen, die sich großflächig in Form von Quaddeln, Ausschlag oder Pruritus manifestieren können. Akneiforme Hautreaktionen und Blasenbildung, Anaphylaxie, Fieber. Apothekenpflichtig. Stand: 11/2022. mibe GmbH Arzneimittel, 06796 Brehna.


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